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-Botanische Mittheilungen
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Carl Nägeli.
i II. Band. Mit 7 Tafeln.
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(Aus den Sitzungsberichten der k. b. Akademie der Wissenschaften in München.) :
München Druck von F. Straub. 1866.
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Inhaltsverzeichniss.
16 (7. Mai 1864). Ueber den innern Bau der vegetabilischen Zellmembranen. I. Theil. Mit 2 Tafeln
17 (9. Juli 1864). Ueber den innern Bau der vegetabilischen Zellmembranen. U. Theil. Mit 3 Tafeln .
18 (18. November 1865). Ueber den Einfluss der Suaren Ver-
hältnisse auf die Varietätenbildung im Pflanzen- ; reiche i > ‘ a ee
19 (15. Dezember 1865). Ueber die Bedingungen des Vor- ‘kommens von Arten und Varietäten innerhalb ihres Verbreitungsbezirkes : $
20 (15. Dezember 1865). Die Bastardbildung im Pflanzenreiche
21 (13. Januar 1866). Ueber die abgeleiteten Pflanzenbastarde
22 (13. Januar 1866). Die Theorie der Bastardbildung
ee - = š _ 28 (16. Februar 1866). Die Zwischenformen zwischen den bg Pflanzenarten . R
24 (10. März 1866). Die systematische Behandlung der Hieracien -rücksichtlich der Mittelformen . s
25 (10. März 1866). Versuche, betreffend die Capillarwirkungen bei vermindertem Luftdrucke. I. Theil
26 (21. April 1866). Die systematische Behandlung der Hieracien rücksichtlich des Umfanges der Species
27 (21. April 1866). Versuche, betreffend die Capillarwirkungen i bei vermindertem Luftdrucke. II. Theil. Mit 2 Taf.
28 (5. Mai 1866). Synonymie und Literatur der Hieracien 29 (5. Mai 1866). Die Theorie der Capillarität
18. Ueber den Einfluss der äusseren Verhältnisse ~ auf die Varietätenbildung im Pflanzenreiche. (Vorgetragen den 18. November 1865.)
Die Varietätenbildung ist bis jetzt fast ohne Ausnahme als das Resultat” der äussern Einwirkungen angesehen und dargestellt worden. Es wurde diess durch 'die Annahme der unveränderlichen Species bedingt. Dieselbe setzt näm- lich voraus, dass in der Pflanze zwei principiell verschiedene Naturen vereinigt seien. Der eine Theil ihrer Eigenschaften ist constant; er ist in allen Individuen der nämliche; er wurde der ersten Pflanze, mit welcher die Art in’s Dasein trat, als unveränderliches Ganzes verliehen; und verschwindet erst mit der letzten Pflanze wieder. Der andere Theil der Eigenschaften ist variabel; er wechselt von Individuum zu Individuum.
Wir kennen den Apfelbaum als Holzapfel und in vielen Hunderten von cultivirten Sorten. Alle haben etwas Gemeinsames, wodurch sie sich eben als Apfelbaum charak- terisiren; dieses Gemeinsame bedingt die eine, die con- stante oder, um mich so auszudrücken, die ewige Natur des Apfelbaums, welche ihm anerschaffen sein soll. Aber kein Baum ist dem andern, keine Sorte der andern gleich; darin ist seine andere, die variable oder zeitliche Natur ausgesprochen. à
Wenn man von dieser Annahme ausgeht, so giebt es keine natürlichere und logischere Folge, als die, es seien die veränderlichen Eigenschaften der Pflanze durch die äussern Einflüsse gegeben worden. Der in seinen spezifischen Merkmalen unveränderliche Organismus kam unter sehr ver- schiedene Verhältnisse, die auf ihn einwirkten; hier war es Trockenheit und Sonnenschein, dort Feuchtigkeit und Schatten; hier der kurze und kühle Sommer der Alpen, dort die lange und warme Vegetationsperiode der Ebene; hier der. trockene Sand, dort der bindende Lehm; hier die kalkarme Bodenkrumme des Urgebirges, dort eine kalk- reiche Unterlage. |
Desshalb finden wir allerorts entweder die stillschweig- ende Annahme oder die laute Anerkennung des Grundsatzes, dass den Pflanzen durch die äussern Agentien ein eigen- thümliches aber unendlich manigfaltiges Gepräge aufgedrückt werde, welches selbst so verschieden sein könne, dass da-
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durch die constanten spezifischen Merkmale mehr oder weniger verhüllt werden. Für diesen Grundsatz, dass die Varietäten die Folge äusserer Einwirkung seien, werden manche Thatsachen angeführt. Aber man würde sehr irren, wenn man glaubte, man sei durch die Beobachtung der Thatsachen dazu geführt worden. Im. Gegentheil,- der Grundsatz war als selbstverständliche Consequenz eines anderweitigen Axioms gegeben und man vermeinte dann, ihn in einer Menge von Beobachtungen: bestätigt zu finden.
Die Behandlung der Frage, ob die Varietäten wirklich die Folge und der Ausdruck der äussern Einflüsse seien, hat also nicht bloss eine wissenschaftliche Bedeutung an und fir sich, weil sie die Ursache einer natürlichen Er- scheinung zu ergründen sucht. Sie gewinnt eine erhöhte Bedeutung wegen des Zusammenhangs mit der Frage über die’ Unveränderlichkeit der Art. Ergäbe sich aus einer sorgfältigen und kritischen Prüfung, dass die gewöhnliche Annahme gegründet ist, so würde die Unveränderlichkeit der Species einen sehr bedeutenden Halt gewinnen, Ergiebt sich aber das Gegentheil, so wird ihr die festeste Stütze . entzogen. Denn wenn es sich herausstellt, dass die Varie- täten nicht Folge der äussern Einwirkungen sind, sondern durch innere Ursachen hervorgebracht werden, so ist die prinzipielle Verschiedenheit von spezifischen und von varietit- lichen, von constanten und variabeln Merkmalen aufgehoben, man muss dann in der Pflanze, unabhängig von Aussen, — die Tendenz abzuändern voraussetzen; die spezifische Natur selbst ist es, welche die Varietätenbildung bedingt ; zwischen Art und Varietät besteht dann eine causale Beziehung, und diese Beziehung findet ihren logischen Ausdruck in der Lehre, dass die Art nichts anderes als eine weiter ent- wickelte Varietät ist. .
Die Entscheidung von Fragen, bei denen eine lange Zeitdauer eine so wichtige Rolle spielt, und wo uns nur eine verhältnissmässig sehr kurze Erfahrung zur Seite steht, erfordert immer viel Vorsicht, diess kommt auch bei dem vorliegenden Gegenstand in Betracht; doch ist es kein Hin- derniss, dass die Schlüsse aus den zu beobachtenden That- sachen nicht die allergrösste Wahrscheinlichkeit gäben. Denn einerseits hat jede Theorie über die Entstehung der
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Varietäten gewisse nothwendige Consequenzen, welche unab- hängig von der Dauer sind. Wenn die klimatischen und Bodenverhältnisse die Verschiedenheiten innerhalb der Art bedingen, so muss das natürliche Vorkommen der verschie- denen Formen in gewissem Grade jenen Verhältnissen ent- sprechen, ob nun "bloss Jahrhunderte oder Millionen von Jahren zu deren Bildung erforderlich waren. — Anderseits giebt uns auch die beschränkte Erfahrung über die Erzeug- ung der Racen nicht weniger feste Haltpunkte. Denn wenn auch die künstliche Racenbildung während der kurzen Be- obachtungsdauer nur bis zu einem bescheidenen Grad der Abweichung und Constanz gediehen ist, so haben wir doch den Anfang einer Bewegung vor uns, und wir können be- urtheilen, ob dieser Anfang die eine oder andere Theorie unmöglich macht. Trifft es sich nun, dass der erste und der zweite Weg zu dem- gleichen Resultate führen, so werden wir nicht anstehen dürfen, dasselbe als festbegründet anzu- erkennen. cy :
Ehe ich in die Prüfung der Thatsachen selbst eintrete, scheint es mir zweckmässig, zum Voraus das Resultat, das sich mir ergeben hat, auszusprechen. Es heisst kurz:
die Bildung der mehr oder weniger constanten Varietäten oder Racen ist nicht die Folge und der Ausdruck der äussern Agentien, sondern wird durch innere Ursachen bedingt').
1) Der Einfluss der äussern Verhältnisse bewirkt allerdings auch Modificationen an der Pflanze, aber es sind diess keine eigentlichen Varietäten oder Racen, sie führen auch nicht dazu und erlangen keine Constanz. Ich spreche zunächst nur von den eigentlichen mehr oder weniger constanten Varietäten, und werde später jene Modificationen berühren. Den Ausdruck Racen brauche ich mit Varietäten synonym, indem ich alle diejenigen Racen der Gärtner und Viehzüchter ausschliesse, welche nur durch besondere Frrnährung
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‘Die Richtigkeit dieses Ausspruchs, welcher gegenüber der in der jetzigen Wissenschaft gültigen Ansicht allerdings höchst paradox erscheinen mag, ergiebt sich aus zwei Reihen von Thatsachen, aus dem Verhalten der zur nämlichen Pflanzenart gehörigen Individuen einerseits unter den gleichen, anderseits unter verschiedenen äussern Verhältnissen. Dieses Verhalten aber besteht darin,
1) dass in einer Menge von Beispielen die verschiedenen Varietäten der gleichen Art auf dem nämlichen Standort, also unter den nämlichen äussern Verhältnissen vorkommen und dass die von dem Pflanzenzüchter erzeugten ungleichen Racen oder Abarten einer Species unter den gleichen äussern Bedingungen entstehen.
2) dass die nämliche Varietät einer Pflanze auf sehr verschiedenen, selbst auf den heterogensten Localitäten ge- troffen wird, und dass bei der Racenbildung auf künst- lichem Wege die nämliche Race unter verschiedenen äussern Verhältnissen sich bilden kann. |
Dieses Verhalten ist ohne Weiteres beweisend. Würden die Varietäten durch die klimatischen Einflüsse bedingt, so müsste jeder wesentlich verschiedenen Combination von solchen, also jedem ausgezeichneten Standorte eine beson- dere Varietät entsprechen. Eine Pflanze, die in sumpfigen Wiesen und auf trockenen Hügeln vorkommt, hätte zwei diesen Localitäten entsprechende Formen, nämlich eine Varietas paludosa und eine Varietas collina. Selbstver- ständlich könnte die Varietas paludosa nicht auf den trockenen Hügeln, die Varietas collina nicht in den sumpfigen Wiesen wachsen. Wenn nun eine Pflanze zwei Varietäten hat, von denen beide zugleich auf trockenen Hügeln und in
und Pflege oder, insofern es Pflanzen sind, durch die geschlechtslose Vermehrung conservirt werden und somit keine wirkliche Constanz besitzen.
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sumpfigen Wiesen vorkommen, so dürfen wir mit vollstem Rechte sagen, dass der durch diese beiden Localitäten aus- gedrückte Gegensatz nicht die Ursache der Varietätver- schiedenheit ist. Wir könnten nun vermuthen, dass der Grund der.Varietätenbildung in irgend einem andern äussern Moment liege. Es könnten z. B. die eine Hälfte der Hügel und zugleich auch die eine Hälfte der Sümpfe beschattet und nördlich exponirt, diè andere besonnt und südlich ex- ponirt sein. Oder es könnte die eine Hälfte der Kalk-, die andere der Schieferformation angehören u. s. w. Ist es nun möglich, zwei oder mehrere Varietäten einer Art auf alle bekannten äussern Agentien und ihre Combinationen zu prüfen und stimmt ihr Vorkommen mit keiner überein, so müssen wir sagen, dass diese Varietäten nicht durch die äussern Einflüsse erzeugt wurden.
Würden die Varietäten: durch die klimatischen und Bodeneinflüsse bedingt, so könnte ferner der Gärtner aus den nämlichen Samen auf dem gleichen Gartenbeet nur eine Race hervorbringen; er müsste auf zwei verschiedenen Beeten, die wesentlich ‘ungleiche Verhältnisse darböten, deren zwei erhalten. Wenn er aber auf dem gleichen Gartenbeet zwei oder mehrere verschiedene Racen erzielt, und: wenn er auf verschieden hergerichteten Beeten die gleichen erzeugt, so sind wir gezwungen, diese Formen nicht von äusserer Einwirkung, sondern von innern Te abzu eiten.
ese Consequenzen sind für ein logisches Urtheil ganz ekini Sie sind so einfach und klar, dass gewiss jeder bei näherer Ueberlegung sie unbedingt zugeben muss. Wenn aber die Consequenzen bis jetzt nicht gezogen, wenn sogar das Gegentheil allgemein angenommen und behauptet wurde, so liegt der Grund nur darin, dass man sich nicht gründlich mit dem Gegenstand beschäftigte, dass man sich
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nicht die Mühe nahm, die Fragen richtig zu stellen, dass man sich mit einer oberflächlichen Betrachtung begnügte. Indem ich nun zu den Thatsachen übergehe, wende ich mich zuerst zu denen, welche die Beobachtung auf den Standorten ergiebt. Vor Allem aus wäre es von Interesse, diejenigen zu prüfen, welche den Anhängern der; bisherigen Meinung als Beweis dienten. Aber hier treffen wir mehr auf allgemeine und vage Behauptüngen, als auf bestimmte greifbare und einer kritischen Prüfung zu unterwerfende Thatsachen. . Manche führen nur im Allgemeinen an, dass die Varietäten durch die Eigenthümlichkeiten des Klimas und des Bodens hervorgebracht würden. Vorsichtigere fügen jedoch bei, dass man über die besondern Wirkungen nichts wisse. Viele Systematiker, namentlich Floristen, sagen von dieser oder jener bestimmten Varietät, dass sie durch diesen oder jenen bestimmten Standort erzeugt sei. Damit ist je- doch sehr wenig Bestimmtes ausgesagt, weil daraus nicht her- vorgeht, wie die äussern Faktoren auf die Abinderung eines Merkmales oder eines Complexes von Merkmalen einwirken. Ja sogar wenn man die Varietäten von verschiedenen Pflanzen, die durch den gleichen Standort erzeugt worden sein sollen, mit einander vergleicht, so findet man nicht die geringste Uebereinstimmung. Wollte man diesen Behauptungen Glauben schenken, so würde man zu der Folgerung geführt, dass die gleiche Ursache in verschiedenen Pflanzen ganz ungleiche, ja sich vollkommen widersprechende Resultate habe. Man müsste zwar auch mit dieser ungereimten Folger- ung sich zurecht finden, wenn die Behauptung iiberhaupt gegründet wäre. Sie stützt sich aber lediglich auf die That- sache, dass eine Varietät auf einer bestimmten Localität wächst. Nehmen wir nun einmal die vollkommene Richtigkeit dieser Thatsache an; nehmen wir an, dass eine Varietät nur einem ganz bestimmten Standort angehörte und dass andere Varietäten der gleichen Art nicht daselbst vorkämen,
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so wäre damit doch nicht. bewiesen, (dass die Varietät ihr Entstehen‘ dem Standort verdanke. Es liesse sich’ immer noch annehmen , sie sei auf irgend, eine andere Weise er- zeugt worden, aber sie finde ihre Ezistanabedingangen bloss auf demselben.
Doch | gilt. die oben gemachte uni = eine Varietät einem bestimmten Standorte, angehöre,. nur. in den wenigsten, vielleicht ‚in keinem einzigen Falle im ganzer Strenge. Die thatsächlichen . Verhältnisse. sind. ‚fast ohne Ausnahme der Art, dass der Schluss, es sei die Varietät durch den Standort hervorgebracht: worden, ganz unzulässig ist; und wenn der Schluss dennoch gezogen wurde, so kann es nur dadurch erklärt werden, dass man nicht an Ort und Stelle eine kritische Prüfung vornahm, sondern’ sich mit dem allgemeinen Eindruck, den'die Excursionen hinterliessen, begnügte und denselben im Dienste. einer vorgefassten Mein- ung verwerthete. Ich habe in den letzten Jahren Varietäten der verschiedensten Pflanzen mit Rücksicht auf ihr Vor- kommen wiederholt. und genau geprüft, und nicht einen einzigen Fall gefunden, der zu der gewöhnlichen Behauptung berechtigt ‚hätte. . Alle Fälle zeigten “deutlich, dass die Varietät unmöglich das Produkt des Standortes sein kann.
Es: sind zwei entscheidende Thatsachen, welche bei jeder Art sich wiederholen, und welche man, wenn man den Pflanzen nachgeht, immer wieder bestätigt findet. Die eine ist die, dass eine Varietät nicht auf einen bestimmten Standort beschränkt ist, sondern auch auf andern Stand- orten sich findet. Wären die klimatischen und die Boden- verhältnisse: varietätbildend, so müsste auf einer andern Loealität die Varietät zu einer andern werden. — Die andere Thatsache, die noch leichter zu verifiziren, ist die, dass zwei Varietäten der gleichen Art auf dem gleichen Standort neben und durch einander vorkommen. Würde’ die Localität die Varietät bedingen, so könnte sie nur eine beherbergen.
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Man möchte vielleicht, bezüglich der letztern Thatsache einwenden, dass ein Standort selbst wieder, und zwar auf kurzen Strecken, verschiedene Verhältnisse darbieten und daher auch verschiedene Varietäten erzeugen könne. Es giebt nun allerdings solche Standorte, wo rasch die Boden- verhältnisse wechseln. Aber von solchen spreche ich über- haupt nicht; sondern von Sandflächen, Torfmooren, Waiden, Wiesen, Siimpfen, Schutthalden, gleichférmigen Gebüschen und Wäldern, wo eine bemerkenswerthe Verschiedenheit ganz undenkbar ist und wo auf der nämlichen Quadratelle zwei verschiedene Varietäten der gleichen Art wohnen. Je- doch noch viel schlagender sind die Beispiele der Wasser- pflanzen, sowohl der schwimmenden im süssen Wasser, als der mit einer Haftscheibe versehenen Meerpflanzen. In dem nämlichen Rasen, der auf einem Teiche schwimmt, finden wir mehrere Varietäten der gleichen Oscillaria, oder Spirogyra, Mougeotia, Zygnema, Cosmarium, Navi- cula etc. An dem gleichen Felsen des Meeres und in gleicher Fluth-Höhe befestigt treffen wir neben einander die zwei Varietäten einer Fucoideen- oder Florideenart.
Es ist kaum nöthig, Beispiele von Landpflanzen anzu- führen; man kann sich von dem Gesagten bei der ersten besten Pflanze überzeugen, und zwar um so leichter, je mehr dieselbe zum Variiren geneigt ist. Ich will nur zwei | Pflanzen nennen, Hieracium Pilosella und H. murorum, | welche überall vorkommen, welche der veränderlichsten ‘ Gattung angehören und selbst durch Vielférmigkeit sich ` auszeichnen. Die nämliche Varietät von H. Pilosella | (mit schmalen, spitzen Involucralschuppen, mit langen, schmächtigen, kleinblättrigen Ausläufern, mit oberseits grünen, unterseits weissfilzigen Blättern und mit unterseits intensiv
ie rothgestreiften Randblüthen) kommt in ganz Europa (mit
Ausschluss der arktischen Zone) vor; sie steigt in der Alpenkette bis über 7000 Fuss; sie wächst in Wiesen, an
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Ackerrandern, auf Haiden , in Gebiisch- und Waldschatten, an Felsen, auf Sand und Kies, in Torfmooren, auf allen möglichen geologischen ‘Formationen. Ein. Anhänger der gewöhnlichen ‚Ansicht, dem von Hieracium Pilosella nur diese eine Form bekannt’ ware, müsste aus ihrem Vorkom- men schliessen, dass die Art gar keiner Abänderung fähig sei. Die Thatsache, dass es aber noch mehrere andere
Varietäten giebt; beweist uns, dass dieselben “nicht ane z
äussere Verhältnisse hervorgebracht werden.
Es giebt kaum zwei ungleichere Standorte, als: die humusarmen Haiden, wo die Gewächse in dem trockenen Kalkkies- wurzeln, und die kalkarmen Hochmoore, wo die Wurzeln beständig in feuchtem Torf sich ‚befinden. Beide kommen auf der Münchner Hochebene neben einander vor. Beide tragen, wie es sich zum Voraus erwarten lässt, im
Allgemeinen eine ganz ungleiche Vegetation. Allein auf ||
beiden findet sich die gleiche Varietät von H. Pilosella?).
Wie die gleiche Varietät von Hieracium Pilosella auf allen möglichen Localitäten (die der Art überhaupt zu- gänglich sind) vorkommt, so finden wir anderseits auf dem
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nämlichen Standort neben und durch einander verschiedene
Varietäten der genannten Species. Auf nacktem feuchtem Lehmboden wächst neben der Varietät mit unterseits roth- gestreiften, diejenige mit unterseits blassgelben Randbiüthen; auf Wiesen und Waiden neben der Varietät mit unterseits weissfilzigen diejenige mit unterseits graugrünen Blättern; auf Geschiebe von Gletscherbächen und auf sandigen Waiden der Hochalpen neben der Varietät mit oberseits grünen die mit oberseits graugrünen und mit beiderseits weissfilzigen Blättern.
2) Ebenso die gleiche Varietät von H. praealtum, H. Auri- eula und einigen andern Pflanzen. l
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Sehr nahe verwandt, mit H. Pilosella ist eine Pflanze, die als H. pilosellaeforme oder Hoppeanum unter- schieden wurde. Die Ansichten iiber die Bedeutung dieser Form könnten nicht mehr abweichen, als sie es wirklich thun. Denn während die einen Autoren sie als besondere Art aufführen, soll sie nach Fries nicht die. mindeste Con» - stanz besitzen. : Derselbe giebt` nämlich an, er habe aus ihren: Samen das gewöhnliche H. Pilosella erhalten. Diese Angabe muss aber ganz sicher auf einem Irrthum beruhen; denn in andern Gärten wurde die’ unveränderte Form aus Samen gezogen, und ferner deutet das Vorkommen auf eine sehr grosse Constanz, wofür ich später den Beweis bei- bringen werde). — 3
An H. Hoppeanum macht man ähnliche Beobacht- ungen wie an H. Pilosella. Sein Verbreitungsbezirk ist zwar viel beschränkter, doch kommt die gleiche Varietät desselben auf fetten Alpenwaiden, in Fichten-, Lerchen- und Ahornwäldern nahe der Baumgränze, in Gebüschen von Erlen und Alpenrosen, an Felsen und im Geröll von 4500-7000‘ vor, wobei die Unterlage ein kalkarmes oder kalkreiches Gestein sein kann; ferner in der bayrischen Ebene auf Haiden mit Kalkkies und auf Wiesenmooren. — Ebenso findet man auf der gleichen Localität oft zwei ver- schiedene Formen von H. Hoppeanum, so z. B. mit unterseits rothgestreiften und mit unterseits blassgelben Randbliithen, ‘mit Involueralschuppen von verschiedener Ge- stalt, Färbung und: Behaarung. |
3) In Berücksichtigung der grossen Vielförmigkeit von H. Pilo- sella und H. pilosellaeforme und der zahlreichen Uebergangs- formen zwischen beiden müssten sie nach streng systematischen Regeln als H.Pilosella vulgare und H. Pilosella Hoppeanum aufgeführt werden: Der Kürze halber nenne ich sie H. Pilosella und H. Hoppeanum. :
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x Mit Rücksicht "auf das» Verhältniss ‘von H: Pilosella und H: Hoppeanum' will ich "zuerst bemerken, dass’ es eine Mittelform. giebt, welche mit gleichem Recht dem einen oder andern 'beigezählt wird. Ihre Köpfe sind grösser als bei Pilosella, kleiner als bei Hoppeanum, die Schuppen sind breiter und) stumpfer als bem Pilosella, schmäler und weniger stumpf, als bei, Hoppeanum, die Ausläufer kürzer, grossblättriger und. stärker als’ bei Pilosella,' ‚länger, schwächer und -kleinblittriger‘als bei'Hoppeanum.
Man findet nun zwar manchmal H. Hop peanum allein auf seinem Standorte und. ebenso« ist: H. Pilosella auch auf. den!’ Alpen sehr häufig: ‚allein. . ‘Jedoch nieht selten stehen H.-Pilosella und. die‘Mittelform, oder H. Hop» peanum und H: Pilosella, oder H Hoppeanum und die Mittelform’ oder auch alle drei (H. Pilosella, H: Hop- peanum und die Mittelforiú), durdhothander auf der gleichen Localitat. - l Eine. der. EEE Pflänzeriätten sia Hieracium murorum,. Sie ist so vielformig, dass. sie selbst mit ent- fernten Arten, mit H. alpinum und H. villosum durch die- unmerklichsten : Uebergangsformen- in Verbindung: steht. Die gewöhnlichste Varietät von H. murorum (streng boden- plattrig, mit herzförmigen Blättern, mit schmaleylindrischen bloss drüsigbehaarten Involucren) kommt "überall vor von der Ebene bis über 6000’, an sonnigen Abhängen und im Waldschatten, an trockenen magern und an feuchten fettern Stellen, auf kalkarmem und kalkreichem Boden. Wenn man Pflanzen dieser Varietät aus ganz Europa neben einander hielte, so müsste ein Anhänger der gewöhnlichen Theorie sie für eine der unverinderlichsten Pflanzen erklären, weil sie von den grössten Verschiedenheiten in den äussern Be- dingungen unberührt bleibt.
Nun findet man aber selten einen doeh wo. nur
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diese eine Värietät wächst. Meist kommen noch eine, zwei oder mehrere andere Varietäten daneben vor, z. B. die mit an. der Basis gerundeten oder allmählich - verschmälerten Blättern, oder die mit fast drüsenlosen Involucralschuppen etc. Bei Grosshesselohe in der Nähe von München wachsen 4 Hieracienformen in Menge durcheinander, welche ihre nahe Verwandschaft durch einen unmerklichen Uebergang von Zwischenformen kundgeben und somit nach den bis jetzt in der Systematik geltenden Grundsätzen als die gleiche Art betrachtet werden müssten *). |
Es sind H. murorum, H. subcaesium, H. vulgatum und H. Sendtneri®). Anderwärts findet man H. muro- rum und H. subeaesium beisammen, oder H. murorum, H. vulgatum und die Mittelform zwischen beiden (H. me- dianum), oder auch nur H. murorum mit H. medianum oder H. vulgatum mit H. medianum.
Wir treffen also bei zwei der vielförmigsten Pflanzen- arten (Hieracium Pilosella und H. murorum mit den verwandten Formen) die übereinstimmende Erscheinung, dass einerseits vollkommen dieselbe Form unter den verschieden- sten äussern Bedingungen auftritt und dass anderseits unter
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4) Diese Zwisċhenformen sind, wie ihre Beschaffenheit und ihre Verbreitung zeigen, im Allgemeinen nicht hybrid. Ich werde in einer folgenden Mittheilung die Hybridität der wildwachsenden- Mittel- formen besprechen.
5) Letzteres ist = H. ramosum Sendtner (non W.K.). Von dem ächten H. ramosum unterscheidet sich die Münchnerpflanze, welche, soviel mir bekannt ist, zuerst von Sendtner beobachtet wurde und der ich daher dessen Namen gebe, unter anderm durch den ein- fachen oder wenig ästigen Stengel mit nicht beblatterten Aesten, durch die kleingezähnten Blätter, die nicht weisslich flaumigen Blüthenstiele und Involucren, durch die porrecten Involucralschuppen und durch die im Verhältniss zu andern Arten frühere Blüthezeit,
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den gleichen äussern Verhältnissen verschiedene Formen und zwar von denjenigen an, welche nur sehr wenig ab- weichen, bis zu denen, die von vielen Botanikern als be- sondere Arten erklärt werden‘, vorkommen.
In gleicher Weise findet man die Varietäten anderer Pflanzenarten auf dem gleichen Standort vereinigt, so roth- und weissblühende, wohlriechende und geruchlose, kahle und behaarte, drüsenreiche und drüsenarme, gross- und klein- blüthige, grasgrüne und meergrüne, boden- und stengel- blättrige, lebendiggebärende und samenbildende Varietäten (Poa alpina nnd Poa bulbosa), ferner solche mit schmalen und breiten, mit stumpfen und spitzen, mit ganzrandigen und gezähnten, mit gleichen und verschiedenen Blättern, mit Ausläufern und ohne Ausläufer, mit unverzweigtem und verzweigtem Stengel. 4
Diess ist natiirlich nicht so zu verstehen, als ob die Pflanzenvarietäten gegenüber den äussern Einflüssen sich | gleichgültig verhielten. Wenn eine Pflanze in zwei Varie- täten vorkommt und auf zwei Standorten lebt, so. ist es wohl nur selten der Fall, dass die beiden Varietäten auf den beiden Standorten ein gleiches gegenseitiges Mengen- verhältniss beobachten. Die eine wird diesen, die andere jenen Standort mehr oder weniger bevorzugen, sie schliessen aber in der Regel einander nicht gänzlich aus. Wenn zwei Varietäten der gleichen Art, A und B, auf mehreren, z. B. auf fünf verschiedenen Standorten wachsen, so beherbergt einer der letztern vielleicht die beiden Varietäten in gleicher Menge, ein zweiter hat A in grösserer, ein dritter in weit überwiegender Zahl, so dass B hier nur spärlich vorkommt; auf einem vierten und fünften Standort verhält sich das Vorkommen gerade umgekehrt. Die klimatischen und Boden- \ verhältnisse haben also in gewissem Grade einen bestim- | menden Einfluss auf die Verbreitung der Varietäten, aber |
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‘nicht etwa in der Art, dass man daraus ‚schliessen könnte, | essei die Varietät das, Produkt. des Standortes®):
= Es geschieht auch, dass auf einem Standort die eine, auf einem andern die andere ‚Varietät ausschliesslich vor- kommt. Dann beobachtet man aber zwei bemerkenswerthe Thatsachen; die. eine, dass auf andern Standorten sie in verschiedenen Verhältnissen untereinander gemengt sind, die andere, dass man auf der Uebergangslocalität zwischen den zwei in ausschliesslicher Weise bewohnten Localitäten nicht etwa, wie man erwarten möchte, die Uebergangsvarietät, sondern die beiden unveränderten ‘Varietäten durcheinander findet ==- is Ich habe bis. jetzt -die Behauptungen berücksichtigt, welche bloss im. Allgemeinen angeben, dass gewisse Varie- täten durch gewisse Standorte hervorgebracht worden seien. Wenn sie nun auch die grosse Mehrzahl ausmachen, so giebt es doch! einzelne Angaben, welche von. bestimmten äussern Ursachen bestimmte Wirkungen an der Pflanze her- leiten. Wasser oder Feuchtigkeit mache kahl; daher rühre die gänzliche Kahlheit bei Wasserpflanzen, die geringe Be- haarung an Sumpfpflanzen, die dichte Pubescenz, die Wolle, der Filz auf trockenen Localitäten, Licht mit Trockenheit zugleich begünstige die Bildung, von Sternhaaren und eine graugriine oder bläulichgrüne ‚Farbe; Schatten mit. etwas Feuchtigkeit dagegen veranlasse zu Driisenbildung und farbe dunkelgrün oder grasgrün. . Wasser oder Feuchtigkeit’ ver- _ längere. Stengel und Blätter und zerschlitze die letztern; ` daher komme es, dass die untergetauchten. Blätter von Callitriche: lineal, die schwimmenden verkehrteiférmig seien, dass die, untergetauchten Blätter von Ranunculus
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6) Ich werde auf die Verbreitung der Pflanzenformen und deren Ursachen in der nächsten Mittheilung zurückkommen.
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aquatilis und von Trapa natans vielfach haarförmig ge- theilt, die ‚schwimmenden ungetheilt oder gelappt seien; daher sollen an feuchten schattigen Standorten: die Blätter länger, getheilt ‘und gestielt, an trockenen dagegen kürzer, ungetheilt und sitzend: werden; »daher seien an feuchten schattigen Localitäten‘ die Pflanzen: stengelblittrig mit mehr aufrechten, an trockenen bodenblättrig mit mehr ausge- - breiteten Blättern. | | |
Diese dürften: wohl als die zuverlässigsten Angaben zu betrachten sein, zugleich als diejenigen‘, die am wahrschein- lichsten klingen, und. für die man viele Beispiele finden wird, welche ein kritikloses Urtheil als ‚Bestätigung der ge- wöhnlichen Meinung ansehen mag. Insofern sie aber zur Erklärung der Varietätenbildung dienen sollen, sind sie sicher unrichtig: ‚Betrachten wir diejenige Behauptung etwas näher, welche am häufigsten und:nicht nur von Systematikern, sondern auch von Pflanzenphysiologen ausgesprochen wurde, Feuchtigkeit mache: kahl, Trockenheit: behaart. Dass die Wasserpflanzen in:der Regel kahl sind, berührt die Frage nicht ‘unmittelbar. Denn: es fragt sich sehr, ob landbe- wohnende Potamogeton- «oder. Myriophyllum-Arten, wenn es solche gäbe, behaart waren. Anderseits giebt es behaarte Fucoideen. -> ? nba disin
Es ist sehr zweifelhaft, ob Samen der nämlichen Pflanze auf feuchter Localität mehr- kahle, auf. trockener mehr behaarte Individuen geben. Mir ist kein Factum hie- für. bekannt, und ich glaube nicht, dass jemand die Frage, so gestellt, mit Grund bejahen könnte. Uebrigens auch hierauf kommt es nicht eigentlich an, sondern darauf, ob feuchte Localitäten kahle, und trockene Localitäten behaarte Varietaten’ hervorbringen. Diess ist entschieden zu ver- neinen, und der Beweis dafür um so leichter beizubringen, als es viele Pflanzenarten giebt, deren Varietäten durch schwächere oder stärkere Behaarung von einander abweichen. —
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Solche Varietäten wird man entweder immer oder wenigstens hie und da neben einander auf dem gleichen Standort finden Von Campanula pusilla, °C. rotundifolia und C. Scheuchzeri giebt es Varietäten mit kahlen und mit graubehaarten Blättern; die letztern sind seltener. Beide kommen immer unter einander vor. Auf trockenen Waiden findet man häufig unter den kahlen einzelne behaarte Pflanzen. Im Rheinwaldthal (circa 6000° ü. M.) sah ich auf einer von herabfliessendem Wasser ganz benetzten Stelle die be- haarte Varietät von C. rotundifolia in grösserer Menge und darunter einzelne kahle Pflanzen. Nach meinen Er- fahrungen müsste ich eher sagen, bei Campanula ent- spreche die reichlichere Behaarung den feuchteren Stand- orten. Campanula persicifolia hat kahle und behaarte Kapseln; beide Varietäten'kommen zusammen vor. So findet man ferner kahle und beharrte Formen von Mentha-Arten, von Veronica scutellata u. A. Man findet Varietäten von Veronica spicata, Thymus Serpyllum, Achillea nana, A. Millefolium, Papaver alpinum, von Erigeron: Arten, Cerastium-Arten und von vielen anderen Pflanzen mit sehr ungleicher Behaarung auf der nämlichen Localität unmittelbar neben einander. >
Es ist nicht nöthig, dass ich auch auf die andern der vorhin angeführten Merkmale weitläufiger eintrete. Insofern sie wirkliche Varietäten charakterisiren, ergiebt die ge- naue Prüfung immer, dass sie nicht durch den Standort hervorgebracht werden. Wir finden z. B. die glauke Form mit den Sternhaaren nicht nur an trockenen sonnigen, die dunkelgrüne und drüsige Form nicht nur an feuchten und schattigen ‘Orten; sondern beide kommen unter einander an den einen und andern Orten vor. Ebenso verhält es sich mit den sitzendblättrigen und gestieltblättrigen, mit den boden- und stengelblättrigen, mit den ganz- und eur blättrigen Formen etc.
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Die angeführten Merkmale sind nicht die einzigen, die von bestimmten äussern Einflüssen abgeleitet werden. Ich erwähne aber anderer Behauptungen nicht, da sie allzu unbestimmt gehalten sind’). | 4
Wenn ich bis jetzt zeigte, dass eine grosse Zahl von Varietäten nicht durch äussere Einflüsse erklärt werden können, so gilt diess nicht von allen abweichenden Bild- ungen überhaupt. Denn es ist an und für sich klar, dass eine jede äussere Potenz, welche einer Abstufung fähig ist, auch eine verschiedene Wirkung auf den Organisınus haben muss. Diese Wirkung giebt sich hauptsächlich in der Steigerung oder Schwächung einzelner Processe kund. So
7) Man kann kaum eine Spezialflora durchblättern , ohne ein- zelne solcher Angaben zu treffen. Eine systematische Durchführung ist mir nur inden Werken He getschweilers bekannt, namentlich in dessen Beiträgen zu einer kritischen Au fzählung der Schweizerpflanzen 1831 und in seiner Flora der Schweiz 1840. Hegetschweiler als ein denkender und strebsamer Forscher
konnte mit dem grundsatzlogen Verfahren der Systematik, welches"
die Species nach *subjectivem Takte zurechtlegt, nicht befriedigt sein. Er suchte die Vielförmigkeit der Natur zu begreifen und glaubte diess aus der Vielförmigkeit der äussern Verhältnisse zu können Er führte seine Reformen nicht in der Studirstube, sondern auf zahlreichen Excursionen aus. Und wenn sein Unternehmen schliesslich missglückte, so zog die Wissenschaft doch einen Gewinn daraus. Denn es musste vielleicht der Versuch einer konsequenten Durchführung vorausgehen, um dem Gedanken Eingang zu ver- „schaffen, dass die Ursachen der manigfaltigen Formen überhaupt auf einem andern Wege zu suchen sind. Dass Hegetschweiler nicht selbst zu dieser Einsicht kam, begreift sich leicht. Auf dem Boden der Unveränderlichkeit der Art stehend, blieb ihm, wie ich schon Eingangs zeigte, nichts Anderes ‚übrig, als die Varietäten durch die äussern Einflüsse zu erklären. Die unkritische Methode aber, welche ihn die Mängel seiner Theorie übersehen liess, theilte er mit der ganzen Richtung seiner Zeit, insofern es sich um Er- klärung von Erscheinungen in der organischen Welt handelte. à 10
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nimmt die Pflanze auf verschiedenen Standorten grössere oder geringere Mengen einer chemischen Verbindung auf; verschiedene Grade der Beleuchtung und der Temperatur wirken begünstigend oder hemmend auf gewisse chemische Vorgänge. Desswegen enthalten Pflanzen der nämlichen Varietät eine ungleiche procentige Zusammensetzung. Sie sind je nach dem Standorte reicher an bestimmten unor- ganischen Verbindungen, je nach dem Klima oder dem Jahrgang reicher an gewissen organischen Stoffen. Es ist bekannt, dass das Licht die Bildung von Farbstoffen , die Wärme dagegen die Bildung von Zucker auf Kosten von Säuren und Gerbstoffen, die Bildung von ätherischen Oelen, Alkaloiden etc. begünstigt. Reichliche Mengen von Nähr- stoffen verbunden mit einer passenden Temperatur und hin- reichender Beleuchtung vermehren die Assimilation und Er- nährung, machen demnach Zellen und Organe grösser und zahlreicher und vermehren die Trockensubstanz. Auf magern ‘Stellen bleiben‘ die Gewiichse klein, wenigblüthig, unver- zweigt, mit kurzgestielten , wenig re Blättern. Auf fettem Boden werden sie gross, reichbeblättert, mit länger gestielten und tiefer zertheilten Blättern; sie verzweigen sich stark und tragen reichliche Blüthen. Eine Vermehrung der Wasserzufuhr allein, bei ‚gleichbleibender Aufnahme der übrigen Nährstoffe, vergrössert die Pflanze und ihre Theile ohne Vermehrung der Trockensubstanz. Die Gewebe werden grossmaschiger und weicher, die Stengel und ihre Inter- nodien gestreckter, die Blattstiele länger, die Blattspreiten tiefer gelappt®). et
8) Darauf dürfte sich die Wirkung des Wassers Desire. Es wird derselben freilich, auch abgesehen von der Varietätenbildung auf feuchten Standusten, von der ich schon gesprochen habe, noch viel mehr a en Es ist jedoch dabei zu berücksichtigen, dass eine feuchte Localität, auch wenn die Bodenbeschaffenheit ganz
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Aber alle diese Veränderungen bedingen noch keine eigentlichen Varietäten und führen auch nicht zur Racen- bildung. In die nämliche Kategorie gehören auch die Ver- änderungen, welche die Gewächse durch ungleiche verticale Erhebung erfahren. Man spricht in den Floren viel von Alpenvarietäten. Eine unbefangene Würdigung der That- sachen zeigt uns, dass die direkte Einwirkung einer be- trichtlichen Höhe vorzugsweise in einer geringern Ernährung besteht, was theils durch die in geringerer Menge vorhan- denen Nährstoffe, theils durch die niedrigere Temperatur. und die kürzere Vegetationsperiode bedingt wird. Das Alpen- klima bewirkt also stets, dass eine Pflanze ihre Theile in geringerer Zahl und Grösse ausbildet. Die Alpenpflanzen sind klein, wenigblättrig, wenigblüthig, mit spärlicher oder mangelnder Verzweigung; ihre Blätter klein ‘und wenig ge- theilt; der Wuchs gedrungen, weil die Stengelinternodien verkürzt sind, was ein Zusammenriicken der Blatter und ‚Zweige zur Folge hat. Dass diese Veränderungen in nichts anderem als in mangelhafter Ernährung bestehen, geht deutlich daraus hervor, dass ähnliche kleine und gedrungene Formen auf magern Standorten der Ebene, dagegen schlanke,
dieselbe bleibt, nicht bloss durch. grössere Wasserzufuhr wirkt, son- dern dass sie der Pflanze unter Umständen auch eine bessere Er- nährung ermöglicht. Es wird aber ferner die Bodenbeschaffenheit . der feuchten Localität in der Regel eine andere sein, als die der angrenzenden trockenen, indem das Wasser verschiedene gelöste "Mineralstoffe mitbringt und dieselben durch Absorption in der Boden- krumme zurücklässt. — Was die von der Einwirkung des Wassers abgeleitete Verschiedenheit zwischen den untergetauchten und schwimmenden Blättern einiger Wasserpflanzen betrifft, so ist die Ursache jedenfalls in andern Momenten zu suchen. Denn die Ver- schiedenheit ist schon durch die Anlage gegeben und diese Anlage ‚bildet sich für beide-Blattarten unter den nämlichen Verhältnissen rücksichtlich der Wassermenge.
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hohe, verzweigte Formen auf fetten Plätzen der Höhe ge- funden werden. So habe ich noch vor Kurzem auf Piz Ot und Piz Languard im Oberengadin bei einer Höhe von 9500 Par. Fuss ein halbes Dutzend Phanerogamen beob- achtet, die den merkwürdigsten Gegensatz zeigten, je nach- dem sie bei freier Lage fast auf dem kahlen Gestein oder nur einige Fuss davon entfernt bei geschützter Lage in Felsspalten, wo sich eine grössere Menge von Dammerde angehäuft hatte, wuchsen. Die ersteren waren jene stengel- losen, winzigen Gewächse der Eisregion, die letztern grösser und caulescirend, wie man sie sonst zwischen 6000 und 7000° findet. Aehnliche Beobachtungen machte ich in gleicher Höhe vor längerer Zeit am Monte Rosa und kürz- lich am Rheinwaldhorn (Bündten) und Sustenhorn (Berner- oberland). /
Diese Merkmale bedingen auch hier noch nicht fiir sich die constante Varietät. Häufig aber kommen andere Modi- ficationen hinzu und durch die letztern entstehen wirkliche Varietäten, welche wie begreiflich den Habitus der Alpen- pflanzen ebenfalls an sich haben. Aber die gedrungene Kleinheit ist ihnen nur accidentell eigen; sie ist es nicht, welche das Wesen der Race bedingt. Diess ergiebt sich klar aus dem Umstande, dass zuweilen auch die Race der Ebene in die Alpen steigt und ‚neben der alpinen Race vor- kommt, ‘mit der sie dann Kleinheit und Gedrungenheit ge- mein hat, oder dass die Alpenrace in die Ebene sich ver- liert und grösser, schlanker und ästiger wird. Aus diesen Thatsachen müssen wir schliessen, dass das Alpenklima für sich nicht die Race zu bilden vermag. Wenn diess der Fall wire, so miisste die Alpenrace sich allmählich mit zunehmender Höhe ausbilden, was wohl nie beobachtet wird, und sie dürfte nicht neben der Race der Ebene vor- kommen, was fast immer da oder dort der Fall ist. |
Dass die geringere und grössere Erhebung überhaupt
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nichts. Wesentliches an der Pflanze ändert, sehen wir deutlich aus vielen Arten, die in der Ebene und auf hohen Ge- birgen die gleiche Form zeigen. Urtica dioica und Chenopodium bonus Henricus steigen bis über 5000‘. Vaccinium Myrtillus und V. uliginosum kommen von der Ebene bis 8000‘, Empetrum nigrum von der Ebene bis 7500’, Parnassia palustris von der Ebene bis über 6000’, Orchis conopsea und odoratissima von der Ebene bis über 7000°,. Achillea Millefolium von der Ebene bis 8000’ vor. Eriophorum alpinum wächst von 1600 bis 6000’, Pinguicula alpina von 1400 bis 6000’, Linaria alpina von 1600 bis über 8000’, Saxifraga oppositifolia von 1300 bis 9000’, Saxifraga Aizoon von 1300 bis 9000‘, Rhododendron ferrugineum von 700 bis über 70007 ete. . :
Diese Pflanzen, und besonders die zuletzt genannte, be- ‚weisen, wie wenig die klimatischen und Bodenverhältnisse auf die varietätliche Veränderung der Gewächse Einfluss haben. Rhododendron ferrugineum wächst meistens — auf kalkarmem Gestein; es kommt aber auch auf Kalk vor und zwar nicht etwa bloss auf Lehm, der den Kalk über- lagert, oder auf einer dicken Humusschichte, sondern auch auf fast nackten Kalkfelsen. Im schweizerischen Jura er- ‚setzt es sogar das Rhododendron hirsutum. Es kommt ferner an sonnigen und schattigen, an trockenen und feuchten Localitäten vor. Es lebt einerseits nahe der Grenze des ewigen Schnees, wenigstens über 7000’; anderseits steigt es bis in die oberitalienische Ebene hinunter. Am Comersee und am Langensee kommt es bei 700° vor. Ich fand es letztes Jahr am Eingang in die Sementinaschlucht bei Bellin- zona, im Kastanienwald und in ‘der nächsten Nähe von Weinreben, Feigen- und Pfirsichbäumen. Einen ‚Unterschied gegenüber der hochalpinen Form bemerkte ich nicht.
Man wird nun zwar einwenden, dass nicht alle Pflanzen
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gleich empfänglich für äussere Eindrücke seien. Diess ist allerdings richtig, aber unter den genannten muss wenigstens Achillea Millefolium als variabel bezeichnet werden. Ueberdem habe ich oben schon Hieracium Pilosella er- wähnt, welches in der nämlichen Form von der Meeresküste bis über 7000’ hoch steigt, obgleich es zu den wandelbarsten Gewächsen zählt; ich könnte noch andere Hieracien nennen, die sich ähnlich verhalten. Was aber besonders entscheidend ist, alle diese Gewächse, die in der nämlichen Varietät von der Ebene bis in die Alpen gehen, zeigen ihre Empfäng- lichkeit für äussere Eindrücke, indem sie die vorhin be- merkten Veränderungen annehmen. Sie werden kleiner, ge- drungener, ihre Organe sind in geringerer Zahl vorhanden: ein Beweis, dass die äussern Verhältnisse in allen ähnlich, wenn auch in ungleichem Grade wirken.
Die Verschiedenheit dieser Einwirkung von der eigent- lichen Varietätenbildung zeigt sich klar, wo beide neben einander auftreten. Ein Beispiel, wofür ich wieder Hiera- cium Pilosella wählen will, wird diess am besten dar- thun. Ich habe schon bemerkt, dass die gewöhnliche Form dieser Art auf allen möglichen Standorten vorkommt. Auf fetten Plätzen der Ebene wird sie verlängert und üppig, auf magern Waiden des Hochgebirgs klein, gedrängt, mit verkürzten Stolonen. Aehnliche kleine Formen kommen aber auch im Thal auf sehr magern und trockenen Stellen vor, während bei 4500 und 5500’ an Ackerrändern oder ‘an Strassendämmen sehr grosse und verlängerte Pflanzen ge- deihen. In der Ebene und in den Alpen kommen neben der gewöhnlichen Varietät verschiedene Modificationen der- selben vor. Ausserdem giebt es eine Form, die man als Alpenvarietät bezeichnet hat, H. Hoppeanum. Dass die- selbe aber nicht ein Product des Alpenklimas ist, ergiebt sich aus dem Umstande, dass H. Pilosella ebenfalls in den Alpen vorkommt und selbst noch etwas höher hinauf-
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a Auch wäre mit dieser Annahme wenig in Harmonie der andere Umstand, dass H. Hoppeanum in allen Theilen grösser und stärker ist, als das gewöhnliche H. Pilosella, mit Ausnahme der verkürzten Stolonen. | Man könnte nun vielleicht sagen, es sei nicht das Alpenklima überhaupt, sondern eine besondere Modification desselben, welche H. Hoppeanum erzeugt habe. Dass diess nicht der Fall sein kann, erhellt aus der schon früher her- vorgehobenen Thatsache, dass H. Pilosella und H. Hop- peanum in den Alpen oft auf der nämlichen Localität vorkommen, und dass nicht selten mit .dem einen oder andern oder mit beiden auch die Mittelform vergesellschaftet ist. Ferner wächst H. Hoppeanum neben H. Pilosella auch in der Ebene bei München und bei Augsburg; die Mittelform fehlt hier ebenfalls nicht.
Die wirklichen Alpenvarietäten, d. h. diejenigen, welche nicht bloss durch kleinen und gedrungenen Wuchs abweichen, sind also nicht eine Folge des Alpenklimas. Wenn sie sich ausser der Kleinheit noch durch andere Merkmale, dieselben mögen noch so unbedeutend ‘sein, und z. B. in nichts anderem, als in grössern Blumen bestehen, von der ge- wöhnlichen Form unterscheiden, so bilden sie sich immer unabhängig von den klimatischen und Bodenverhältnissen aus, und wenn eine solche Alpenvarietät, was aber selten der Fall ist, als der einzige Repräsentant ihrer Species in , den Alpen überhaupt oder auf- besondern Localitäten der- selben auftritt, so ist es nur, weil sie als die existenz- fähigere Form die übrigen verdrängt hat. ;
Die ganze bisherige Beweisfiihrung stützt sich auf die | Thatsachen, 1) dass die Varietäten nicht nur unter den | äussern Verhältnissen vorkommen, die man als ihre Ur- | sache betrachtet, sondern auch unter ganz abweichenden / Verhältnissen, und 2) dass zwei verschiedene Varietäten, / die nach der gewöhnlichen Ansicht verschiedene äussere
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Einflüsse voraussetzen, neben einander, somit unter ganz den nämlichen Einflüssen getroffen werden. Man könnte hie- gegen, und mit dem Anscheine einiger Berechtigung, folgende Einwendung machen. Die Varietäten würden allerdings durch die Einwirkung der klimatischen und Bodenverhält- nisse erzeugt. Dadurch dass sie durch viele Generationen auf dem nämlichen Standort gelebt und dessen Einwirkung erfahren hätten, wären sie zu grösserer oder geringerer Constanz gelangt, und wenn sie nun auf einem andern Standorte sich ansiedelten, so behielten sie noch einige Zeit lang die unveränderten Varietätsmerkmale, und giengen dann erst in die diesem neuen ‚Standorte entsprechende Va- rietät über. |
Dieser Einwurf erscheint plausibel; denn er stellt ein Analogon mit der Racenbildung durch künstliche Zuchtwahl auf. Bei der letztern wird ein Merkmal oder eine Gruppe von Merkmalen durch eine Reihe von Generationen gehäuft und die Constanz wird um so grösser, je länger die Ver- erbung statt gefunden hat. Es ist nun, wie ich schon er- örtert habe, unzweifelhaft, dass die Pflanze, welche unter veränderte äussere Verhältnisse gebracht wird, auch ihre Merkmale etwas verändert. Die Frage ist aber, ob diese Veränderung durch mehrere Generationen hindurch fort- dauern und sich steigern könne, und ob gleichzeitig die Constanz zunehme. Gegen diese Theorie sind drei, wie mir scheint, ganz entscheidende Einwürfe zu machen; es wider- sprechen ihr 1) die Natur der wirkenden Einflüsse und die Art und Weise ihrer Einwirkung, 2) die damit überein- stimmenden Erfahrungen der Cultur, 3) die Verhältnisse des Vorkommens. :
Auf die beiden erstern Punkte werde ich später ein- treten. Den letzten, welcher mit dem Vorhergehenden in Verbindung steht, will ich sogleich noch kurz berühren.
Die Verhältnisse des Vorkommens müssten sich, wenn
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der eben erörterte Einwurf gegründet wäre, folgendermaassen gestalten. Jede Localität würde die ihr eigenthümliche Va- rietät beherbergen, und mit dem Uebergang der Localitäten würden sich auch die Varietäten allmählich ändern und in einander übergehen. In Folge der Samenverbreitung durch den Wind und die Thiere würde man nun zwar auf einer Localität nicht bloss die ihr zukommende, sondern möglicher | Weise auch andere dahin geführte Formen antreffen. Aber 4 2 diess könnte nur als Ausnahme von der Regel auftreten, > um so mehr als die eingewanderte Varietät nach längerer oder kürzerer Dauer in die Form des Standortes sich um- ändern müsste. Damit stimmen aber nicht die beobachteten Thatsachen, namentlich nicht die weite und häufige Ver- breitung der gleichen Varietät über die ungleichartigsten Standorte und das Vorkommen von zwei verschiedenen Varietäten der gleichen Pflanzenart auf grossen gleichförmi- - gen Localitäten. Ueberhaupt erscheint in der Wirklichkeit die Uebereinstimmung | zwischen ‘Varietit und äussern Ver- hältnissen als Ausnahme, ‘während sie nach der Theorie als Regel sich geltend machen müsste.
Wenn die Varietäten constant gewordene Standorts- formen wären, so müsste sich ein wesentlicher Unterschied in der Verbreitung der Formen zeigen, je nach der Leichtigkeit, mit der sie ihren Wohnort ändern. Pflanzen, deren Früchte oder Samen durch den Wind weit verbreitet werden, könnten sporadisch auch auf vielen andern Locali- täten vorkommen. Solche dagegen, deren Samen sich nicht weit entfernen, müssten streng an der Localität, die sie er- zeugte, festhalten. Mit der langsamen Verbreitung auf andere Standorte müsste auch eine langsame Umbildung er- folgen. Diese logische Folgerung -ist in der Wirklichkeit wieder nicht erfüllt. Wir sehen durchaus keinen Unterschied in der Verbreitung von Gewächsen mit transportabeln und nicht. transportabeln Samen. So stehen die beiden Varietäten |
der gewöhnlichen Eiche (Quercus Robur pedunculata und sessiliflora), die beiden Varietäten der Haselnuss (mit rundlichen und ovalen Früchten) überall durcheinander.
Die Vorkommensverhältnisse sind, wie wir eben ge- sehen haben, selbst. für den ungünstigsten Fall beweisend, für den Fall nämlich, dass die Varietäten leicht auf fremden Standorten unter den Varietäten der letztern sich ansiedeln. Die Erfahrung zeigt nun aber, dass eine Pflanze nur schwer sich einen neuen Platz erobert und dass sie es manchmal _ auch gar nicht vermag. Es giebt Pflanzenarten und Varie-
My, täten, welche unter gewissen Umständen auf einem Stand-
orte sich nicht ansiedeln können, wenn eine verwandte Art oder Varietät denselben bewohnt. Solche Beispiele finden wir an Achillea atrata und A. moschata, Rhododen- dron ferrugineum und Rh. hirsutum, Primula offi- cinalis und P. elatior, Hieracium Bienia und Ë. Hoppeanum, Orchis conopsea und O. odoratissima, an Arten von Erigeron, Rhinanthus und anderer Gattungen.
Ich werde in einer folgenden Mittheilung diesen Punkt erörtern und will hier nur das Factum, soweit es für den vorliegenden Fall von Interesse ist, kurz berühren. Es giebt Gebirgsstöcke, auf denen Achillea atrata und À. mo- schata streng nach der geologischen Unterlage geschieden sind. Erstere gehört dem Kalk an, letztere dem Urgebirge (Granit, Gneis, Glimmerschiefer, grauer Schiefer etc.). Man hat daraus geschlossen, A. atrata könne nur auf kalk- reicher, A. moschata nur auf kalkarmer Unterlage wachsen. Man hat selbst gemeint, die eine „wäre die—Varietät der kalkarmen, _ die andere der kalkreichen Localitäten und “sie verwandelten sich in einander, wenn sie auf ihre gegenseitigen Standorte gelangten. Weder das Eine noch das Andere ist richtig. Denn A. moschata ge- deiht auch ganz gut auf Kalk, - und A. atrata ebenso auf .
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Dahiti: wenn jede Form allein ist. Sind sie in Gesell- schaft, so scheiden sie sich nach der géognostischen Unter- lage aus. "Wir "können ‘diess nur so erklären, dass wir an- nehmen, es komme A. moschata besser auf kalkarmem Boden fort, als A. atrata, diese dagegen auf kalkreichem Boden besser als die erstere. Daher verdrängen sie sich *. gegenseitig, wenn sie als Concurrenten auftreten. Da es. Hänge in ‘den Alpen giebt, die, soweit der Kalk reicht, ausschliesslich mit A. atrata, und soweit sie aus Schiefer bestehen, ausschliesslich mit A. moschata bedeckt sind, und da diese zwei Standorte mit ihren Pflanzen unmittelbar an einander grenzen, so beweist uns diess, wie schwer es einer Form wird, auf dem ungünstigern Standort sich an- gusiedeln, wenn ein Mitbewerber ihr denselben streitig macht. l :
Ich habe hier ein Beispiel angeführt, wo die beiden . Pflanzen eine ungleiche Empfindlichkeit gegen die chemische ' Beschaffenheit der Unterlage zeigen. In andern ist es die physikalische Constitution des Bodens, welche zwar an und für sich das Vorkommen jeder einzelnen von zwei Pflanzen- formen gestattet, welche aber, wenn beide vereint auftreten, bald die eine bald die andere als die stärkere erscheinen lässt, und daher den Ausschluss der Mitbewerberin ver- anlasst.
In gleicher Weise müsste es sich mit allen Varietäten | verhalten, welche constant gewordene Localitätsformen wären. Jede bewohnte zuerst den Ort, dem sie ihr Dasein ver- dankt; von hier aus suchte sie auf andere, ihr fremde Standorte überzugehen. Diese waren aber mit den ihnen, eigenthünlichen Varietäten besetzt und mussten daher dem Eindringling fast unüberwindliche Hindernisse darbieten. Denn wir müssen doch immer annehmen, dass eine Varietät auf der Localität, auf welcher sie erzeugt wurde, auch existenzfähiger sei, als eine andere, die unter andern äussern
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Bedingungen entstanden ist. Das Durcheinandervorkommen der Varietäten, wie es in der Wirklichkeit vorhanden ist, lässt sich also nicht mit der Theorie vereinen, dass die- selben constant gewordene Standortsformen seien. Diese Schwierigkeit fällt dagegen weg, wenn die Varietäten durch “> innere Ursachen entstanden sind. Es ist dann ganz gut möglich, däss zwei oder mehrere derselben gegen gewisse äussere Verhältnisse sich gleich verhalten, dass auf gewissen Standorten keine als die existenzfähigere erscheint und die andere zu verdrängen vermag, dass sie also daselbst neben einander bestehen können.
Ich habe bis jetzt die Thatsachen erörtert, welche das Vorkommen der Gewächse auf ihren natürlichen Standorten darbietet. Eine andere Reihe von Thatsachen geben uns die Culturversuche und die Bildung von Racen oder Varie- täten im Garten. Das übereinstimmende Resultat der letztern ist, dass die nämlichen klimatischen und Bodeneinflüsse die ‚ gleichzeitige Entstehung von zwei und mehreren verschie- denen Racen gestatten. Auf demselben Gartenbeet und aus den Samen derselben Pflanze können durch eine Reihe von Generationen, wenn die gegenseitige hybride Befruchtung ‚vermieden wird, Varietäten mit verschiedenen Blättern, ‚Blüthen, Früchten, Wurzeln, mit verschiedener Verzweigung, _ Behaarung u. se w. sich ausbilden. Es kann selbst die Ab- , \ änderung in entgegengesetzter Richtung erfolgen; es können
neben einander Racen mit grossen und kleinen Blättern, | Blüthen, Früchten, Samen, mit dünnen und dicken Wurzeln, = mit reicher und spärlicher Verzweigung, mit aufrechten und hängenden Zweigen, mit zerschlitzten und mit ungelappten Blättern entstehen. Daraus geht unzweifelhaft hervor, dass
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wir die Ursachen der Variation unmöglich in den äussern | ya
Verhältnissen suchen können.
Ein anderes wichtiges Moment ist, dass bei der Racen- bildung nicht etwa die Veränderung in allen Individuen gleichmässig erfolgt, sondern dass sie nur einzelne trifft. Wenn die äussern Einflüsse die Veränderung bewirkten, so müssten alle Individuen, die denselben ausgesetzt sind, die übereinstimmende Wirkung erfahren. Säet man aber Samen des gleichen Pflanzenstockes, selbst der gleichen Samen- kapsel auf dasselbe Beet aus, so zeigt vielleicht eine einzige Pflanze eine Abänderung, welche bei fortgesetzter Aussaat zur Racenbildung führt, indess die übrigen Pflanzen und ihre Nachkommen der ursprünglichen Race treu bleiben.
Mit den Erfahrungen der Gärtner stimmen bekannt- lich die der Thierzüchter überein. In dem nämlichen Tauben- schlag, in dem nämlichen Stall und auf der gleichen Waide bleibt eine Race in den einen Individuen unverändert, in andern Individuen bildet sie sich zur neuen Race um.
Es werden vielleicht Gärtner -und Thierzüchter hiegegen einige Einwendungen machen und sagen, dass es bei der Racenbildung auch auf die Zubereitung der Erde und auf die Ernährung der Thiere ankomme. Diess ist immer richtig, wenn es sich um Racenmerkmale handelt, die durch die lebhaftern oder trägern Funktionen einzelner organischer Thätigkeiten bedingt werden. Solche Merkmale werden aber nie constant, und wir sollten eigentlich ihre Träger nicht mit dem Namen einer besondern Race bezeichnen. Ich werde auf diesen Punkt noch später zurückkommen.
Wenn uns die Beobachtungen in der freien Natur eine fast unbeschränkte Menge von übereinstimmenden Beispielen vorführen, wo wir die Forderung der Theorie mit der Wirklichkeit vergleichen können, so giebt uns die Cultur zwar nur eine beschränkte Zahl von Beispielen, aber diese ersetzen den äussern Mangel durch grossen innern Werth;
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denn sie erlauben die Entstehungsweise der Racen direkt zu verfolgen und mit Rücksicht auf die ursächlichen Momente zu prüfen.
Zur Annahme der Racenbildung wird zweierlei er- fordert: 1) müssen neue Merkmale auftreten und 2) müssen dieselben constant werden.
‚Die neuen Merkmale müssen immer so ausgeprägt. sein, dass die Träger derselben sich deutlich von den schon vorhandenen Racen unterscheiden. Sie können entweder auf einmal auftreten, oder durch mehrere successive Ge- ' nerationen allmählich zu ihrer vollkommenen Höhe sich ausbilden. Die Constanz ist immer Folge der Vererbung durch eine Reihe von Generationen. Wenn ein Racenmerk- mal schon in der ersten Generation vollendet erscheint, so ist es noch variabel, erst durch wiederholte Ver- erbung wird es dauerhaft. Wenn das Merkmal aber sich’ nach und nach ausbildet, so hat es bei seiner Vollendung ‘schon einige Constanz ; dieselbe vermehrt sich in den folgen- den Generationen Ba, ohne dass das Merkmal in seinen sichtbaren Erscheinungen sich weiter verändert.
Ich erlaube mir hier eine Bemerkung darüber, was wir uns eigentlich unter Constantwerden zu denken haben. ‘Wie dieser Begriff sich uns. unmittelbar darstellt und wie er auch häufig aufgefasst wird, scheint er im Wider- spruch mit dem Gesetze zu stehen, dass in der Natur Alles wie Ursache und Wirkung verknüpft ist. Denn wir be- greifen nicht, warum eine Eigenschaft ihrem Wesen nach anders sein soll, je nachdem sie längere oder. kürzere Zeit gedauert hat. Wir müssen daher annehmen, dass bei der Racenbildung nicht bloss die äussern sichtbaren, sondern ausserdem innere unsichtbare Veränderungen statthaben, welche möglicher Weise schon vor jenen eintreten und nach denselben noch andauern können.
Da diese inneren Veränderungen mit den äussern, die
133
als Racenmerkmale sichtbar werden, in causalem Verhältniss
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stehen, so wird nun sogleich einleuchtend, dass der Orga- 4
nismus die neuen Merkmale um so zäher festhält, je weiter ‘ die bedingenden inneren Veränderungen gediehen sind, dass /
und dass es dazu einer gleichen Summe von Einwirkungen bedarf, wie diejenigen die sie hervorgerufen haben.
Ein Beispiel, an dem dieses deutlich gemacht‘ werden kann, ist folgendes. Der Gärtner cultivirt eine blaublühende Pflanzenart. Bei einer Aussaat erhält er einmal ein weiss- blühendes Exemplar. Er sammelt ausschliesslich von diesem die Samen und gewinnt bei deren Aussaat neben blauen, einige weisse Pflanzen. Er setzt das nämliche Verfahren fort, er behält immer nur die weissblühenden Stöcke als
Samenpflanzen. Seine Aussaaten geben immer mehr, zuletzt bloss noch weissblühende Exemplare. Die Constanz nimmt
mit jeder folgenden Generation um einen Grad zu. Wir
können uns diese Thatsache bloss im folgender Weise er-
klären.
Ob die Individuen einer Art blaue oder weisse Blüthen- tragen, muss von einer Verschiedenheit der Stoffmischung bedingt werden, welche wieder auf die ganze moleculare Beschaffenheit zurückwirkt. In irgend einem Individuum ist nun diese Aenderung soweit eingetreten, dass sie weisse Blüthen bedingt, aber nicht so weit, dass auch die er- -gzeugten Keime alle weissblühende Pflanzen ` gäben. Sie ist
einer Steigerung fähig und diese Steigerung erfolgt durch
eine Reihe von Generationen. Solange die Veränderung in der bestimmten Richtung andauert, wird auch die Constanz gesteigert. Es bedarf dann ceteris paribus einer gleichen Zahl von Generationen, um die eingetretene Umbildung durch entgegengesetzte Ursachen vollkommen zu tilgen und die weissblühende Varietät wieder in die rothblühende zu- riickzufiihren. Wenn aber die Umbildung ihren höchsten
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um jene zu vernichten, diese zuvor entfernt werden müssen, / na
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& . Grad erreicht hat, so hört auch die Steigerung der Constanz DW auf. Wenn z. B. mit der 20. Generation die grösstmög-
liche Veränderung in der bestimmten Richtung eingetreten ist, so kann die 50. und 100. Generation sie an Constanz nicht übertreffen. i Pe Damit steht in Uebereinstimmung, dass nicht jede Eigenschaft, welche sich lange vererbt hat, desswegen auch constant geworden ist. Diess gilt namentlich von den Ver- änderungen, welche die äussern Einflüsse an den Pflanzen > unmittelbar bewirken. Wie ich schon früher bemerkte, be- stehen dieselben vorzugsweise in einer Steigerung oder Schwächung einzelner Processe. Die Wirkung entspricht der
—_ Ursache und muss mit dieser aufhören. Auf einem frucht-
baren Boden werden die Pflanzen gross, stark verzweigt und reichblüthig; aber niemand kann daran denken, dass diese Eigenschaften Constanz erlangen. Nach der hundert- sten Generation werden die Pflanzen, wie nach der zweiten, auf einem magern Boden klein, unverzweigt und armblüthig ausfallen. — In einem warmen Sommer werden die Trauben süss, in einem kalten sauer. Wenn 99 ununterbrochene Ge- nerationen der Weinrebe nur warme Sommer gesehen hätten,
© ‚so würde die hundertste in kalter Witterung doch wieder
saure Früchte geben. — Wenn eine Pflanze während einer “noch so langen Reihe von Generationen in Folge Licht- mangels bleichsüchtig gewesen ist, so wird sie doch, sobald das Licht wieder voll einwirkt, auch wieder intensiv grün werden. Wird ein Wald umgehauen, so treten verschiedene krautartige Pflanzen auf, von denen einige während langer ‘Zeit, möglicherweise Jahrhunderte hindurch, als Stolonen mit bleichen unausgebildeten Blättern ein kümmerliches Da- sein fristeten. Sowie die warmen Sonnenstrahlen nach der Abholzung den Boden treffen, so entwickeln sich diese Ge- wächse so üppig, und mit so lebhafter Färbung, als ob sie sich dessen nie entwöhnt hätten.
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Die direkten Folgen der äussern Ursachen können also keine Constanz’ erlangen. Es liesse sich nun aber vermuthen, dass damit“ anderweitige ‘indirekte Veränderungen verknüpft wären, welche zur Racenbildung führten. Es könnte: die chemische und moleculare Natur durch eine lange Einwirk- ` umg so weit umgewandelt werden, dass dadurch noch be- , stimmte andere Merkmale, ausser den berührten direkten = Folgen, hervorgebracht würden. Es könnte eine Pflanze, es die einerseits auf einen an Humus, Feuchtigkeit, Kali- und
Phosphorsalzen reichen Boden, anderseits auf einen trockenen `
und magern Boden kommt und daselbst während vieler Generationen bleibt, nicht bloss am einen Ort wohlgenährt und üppig, am andern Orte klein und schmächtig ausfallen, sondern in Folge der dauernden Einwirkung ungleicher Er-
nährung zugleich soweit ‘in ihrer Constitution umgestimmt — er
werden, dass sie auf den beiden Standorten zu zwei ver- schiedenen Racen sich umbildete: zwei Racen, die sich nicht bloss: durch Grösse, sondern durch eigenthümliche Form und Farbe der Blätter, durch eigenthümliche Zähnung oder Kerbung derselben, durch eigenthümliche Form und Verzweigung des Stengels, durch eigenthümlichen Blüthenbau, durch eigenthiimliche Behaarung etc. auszeichneten.
Die theoretische Möglichkeit, dass sich durch den Ein- fluss der klimatischen und Bodenverhältnisse auf indirektem ‘Wege eine Race bilde, lässt sich also nicht bestreiten. Es ist nun aber die Frage, ob die Erfahrungen mit den Con- sequenzen dieser Theorie zu vereinen sind. Die nächste Folgerung wäre die, dass auf einem Standorte alle Indivi- duen einer Art sich umbilden müssten, und dass die Um- bildung nur in derselben Richtung erfolgen könnte. Denn gleiche Ursachen bringen gleiche Wirkungen ‚hervor. Die Pflanzen zeigen zwar individuelle Verschiedenheiten; sie be- sitzen vielleicht eine ungleiche Empfänglichkeit für die neuen Einflüsse und fangen daher nicht gleichzeitig zu variiren
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an. Aber da sie nicht nur der gleichen Race angehören, sondern überdies noch möglichst gleichartig vorausgesetzt werden, so müsste die Veränderung in allen den nämlichen Weg einschlagen. . | |
Mit dieser Forderung stehen die Beobachtungen über das Vorkommen der Racen, wie ich bereits gezeigt habe, und ebenso die Erfahrungen über künstliche Racenbildung im Widerspruche. Auf dem nämlichen Gartenbeet gelingt es dem Gärtner, wie schon erwähnt, nicht nur eine Race unverändert zu conserviren, sondern auch aus ihr mehrere neue Racen, selbst solche, die als direkte Gegensätze zu betrachten sind, zu erziehen. \
Man könnte vielleicht den Einwurf machen, dass die _ Pflanzen, wenn auch auf demselben Beete beisammen, doch nicht den gleichen Einflüssen ausgesetzt seien, die Erde sei ein Gemenge von verschiedenen Bestandtheilen, es könne daher geschehen, dass die Wurzeln der einen Pflanze mit ganz andern Stoffen in Berührung kommen, als die der übrigen. Es wäre leicht auf die Unwahrscheinlichkeit einer solchen: Annahme hinzuweisen und dafür verschiedene Gründe anzuführen. Diess ist überflüssig, da sich die Unmöglichkeit der Annahme aus dem Erfolge darthun lässt. Wenn unter 100 Pflanzen, die auf einem Beete stehen, eine einzige ab- ändert (z. B. weiss blüht, oder geschlitzte Blätter hat, oder frühzeitiger ihre Früchte reift), so müsste gemäss dem ge- machten Einwurfe der Boden auf 100 Stellen einmal anders beschaffen sein. Es würde bei einer folgenden Aussaat wieder nur eine Abweichung auf 100 Exemplare geben können. Es giebt deren aber, wenn Samen von jener einen Pflanze ausgesäet werden, viel mehr und früher oder später _ trägt das ganze Beet bloss Pflanzen der neuen Race. Daraus © folgt, dass der Boden entweder überall eine gleiche Be- ` schaffenheit hat, oder dass, wenn seine Beschaffenheit
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wechselt, diese Verschiedenheit für die Racenbildung : ohne Bedeutung ist. | m.
Wie unter den gleichen Verhältnissen aiin Racen entstehen, so bleiben sie, einmal gebildet, in ihrer Ungleich- heit beständig, trotz dem, dass die gleichen Einflüsse auf sie einwirken. Die Racen der ein- und zweijährigen Ge- wächse (die also nur durch Samen sich fortpflanzen) bleiben unverändert, wenn man sie in dem ‚gleichen Garten oder auf den gleichen Feldern neben einander. cultivirt. Kein Gärtner und kein Landwirth zweifelt. daran, dass er von Mais, Waizen, ‘Gerste, Hafer oder von Zierpflanzen beim Aussäen wieder die gleiche Sorte erhalte. Man wird viel- leicht sagen, die Dauer des Versuches sei hier zu gering, um eine Ausartung erwarten zu können. Für junge, erst kurze Zeit bestehende Racen wäre dieser Einwurf unge- gründet. Für alte Culturracen aber haben: wir zwei: anes von Thatsachen,-die unwiderleglich sind..
Einmal werden manche derselben seit Jahrtausenden in verschiedenen Ländern, unter verschiedenen klimatischen und Bodenverhältnissen gezogen, ohne dass sie desswegen in ebenso viele Racen auseinander gegangen wären. Die süssen Mandeln kannte man vor Plinius’ Zeit im Orient, in Griechenland und in Italien; sie werden immer noch in diesen Ländern, ebenfalls in China cultivirt, ohne dass sie in den verschiedenen Gegenden jetzt verschieden wären. Ganz das Gleiche gilt für die bittern Mandeln, deren Cultur in denselben Ländern ebenso alt ist. Die sechszeilige Gerste wurde von den alten Indern, von den Aegyptern, den Griechen und Römern gebaut ; sie findet sich noch in diesen Ländern, ohne verschiedene Racen gebildet zu haben. Aehn- liches lässt sich für verschiedene andere Culturpflanzen nach- weisen.
Die zweite Reihe von Thatsachen besteht darin, dass
zwei oder mehrere Racen der nämlichen Art, seit Jahr- 11*
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tausenden in der nämlichen Gegend gepflanzt wurden, ohne dass man für sie eine ungleiche Behandlung rücksichtlich des Bodens oder anderer Verhältnissesanwendete.' Trotzdem, — dass sie also die gleichen Einflüsse erfahren haben, beharrten sie in ihrer Verschiedenheit; so die 'süssen und bittern Mandeln, die Getreidesorten etc. BE
-° Die Ursache, warum die Culturracen unverändert fort- bestehen‘ oder sich in andere Räcen' umwandeln, kann also nicht in der Einwirkung von klimatischen und: Bodenver- hältnissen gefunden werden. Sie liegt einerseits in der grössern oder geringern Neigung einer Pflanze, ‘individuelle Abänderungen zu bilden, anderseits in dem Umstande, ‘ob die künstliche Zuchtwahl derselben zu Hülfe kommt oder nicht. roa roki |
\\.ee~ Auch die in den botanischen Gärten dekiväten Pflanzen
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‘sprechen durchaus nicht für eine Umbildung der Varietäten
durch äussere Ursachen. Zwei noch so nahe stehende Va-
rietäten oder Racen,“ die aus dem Freien in den Garten verpflanzt werden, bleiben hier unverändert neben einander, insofern ihre Eigenschaften unabhängig von einer reich- licheren oder spärlicheren Ernährung sind. Man bemerkt zwar häufig eine Umbildung an den Gartenpflanzen ; sie be- steht aber nur in einer bessern Ernährung. 'Dieselben sind ‘grösser, üppiger, mit reicherer Verzweigung. Ganz gleiche ‚Exemplare findet man aber auch im Freien an fetten humus- reichen Stellen °).
9) Man liest jetzt nicht selten in systematischen Werken, die oder jene Form sei eine gute Art, denn sie habe sich im Garten unverändert erhalten. Culturversuche sind gewiss sehr wichtig; sie
>S _erweisen, was an der Pflanze durch den Standort bedingt war. Aber
sie geben nicht den geringsten Aufschluss darüber, ob eine Form eine bessere oder schlechtere Varietät, eine bessere oder schlechtere
a Art sei; denn sie vermögen nicht zu zeigen, welchen Grad der Con- | "Stanz eine Pflanze erreicht hat. BSH i
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Wenn- die klimatischen Einflüsse eine Umbildung: be- wirken könnten, so sollte man diess namentlich an denjenigen Gewächsen, die aus fernen Ländern stammen, wahrnehmen. Man sollte die grösste Einwirkung der Cultur einerseits an Pflanzen der Tropen und der südlichen Hemisphäre, ander- seits der höchsten Alpen und des höchsten Nordens wahr- nehmen, was aber nicht der Fall ist.
An die Ergebnisse der Cultur in historischer Zeit vie sich einige Fälle an, wo es möglich ist, die Resultate der Cultur in der Natnr während einer skroei viel längern Zeit zu beobachten. Wenn sich nämlich von einer Pflanze bestimmen lässt, zu welcher Zeit sie in verschiedene Gegenden gekommen ist, so können wir untersuchen, ob und welche Verschiedenheiten sie jetzt zeigt, und wir können darnach den Einfluss der klimatischen Verhältnisse beur- theilen. Im ersten Theil dieser Mittheilung habe ich von dem Vorkommen der Varietäten auf verschiedenen Stand- orten, ohne Rücksicht auf die bestimmte Zeitdauer, während welcher sie sich daselbst befinden, gesprochen. Ich will jetzt noch auf einige Fälle hinweisen, wo dieser Factor in die Rechnung gebracht werden kann.
Die letzte Periode, in welcher eine grosse Veränderung in der Verbreitung der Gewächse stattgefunden hat, ist die Eiszeit! Seitdem haben dieselben ihren Wohnort, mit wenigen Ausnahmen, die hauptsächlich auf Rechnung des Menschen fallen, nicht gewechselt. Zur Eiszeit war das Flachland von Mitteleuropa sammt den brittischen Inseln vom Meer bedeckt, aus welchem nur die Gebirgsländer als Inseln emporragten. Nach derselben, als der Boden sich gehoben hatte und das Klima wärmer geworden war, wan- derten Pflanzen von Osten her ein, indess von den ein- heimischen Gewächsen die meisten sich in die höhern Re- gionen der Gebirge zurückzogen. Pflanzen, welche in Frank- reich, Deutschland, Ungarn, Polen, Russland und Sibirien
140
zugleich vorkommen , bewolinen diese Länder sehr wahr- scheinlich seit nahezu der Eiszeit, besonders wenn sie leicht transportable Samen besitzen. Pflanzen, die zugleich auf den Alpen, den Pyrenäen, im Caucasus und im hohen Norden leben, befinden sich daselbst mindestens seit der Eiszeit, weil seitdem die Communication gehemmt war. |
Es giebt nun eine ganze Zahl von Pflanzen, die einige oder alle der genannten Tiefländer, die alle oder einzelne der genannten Gebirge und den Norden bewohnen, und die daselbst in der gleichen Varietät vorkommen. Müssen wir nicht den Einfluss der klimatischen und Bodenverhältnisse auf die Umbildung der Varietäten gleich Null setzen, wenn dieselben nicht vermochten, während so langer Zeit sich geltend zu machen?
Es ist überflüssig, noch weitere Beispiele von Gegenden anzuführen ; die eine gleiche oder eine längere Zeit durch Meere getrehnt waren, und die von denselben Varietäten bewohnt werden.
Ich will nur noch zwei Fälle aus den Alpen. selbst anführen.‘ Während der Eiszeit standen die durch Thäler und Ebenen getrennten Berge vermittelst der ‚Gletscher in Verbindung, so dass alpine Gewächse von einem auf den andern übersiedeln konnten, was vielen jetzt nicht mehr möglich ist... Die Alpenrose gehört hieher. Sie verbreitet sich äusserst langsam, wie. die geographische Vertheilung ihrer beiden einheimischen Arten zeigt, die. sich wesentlich nach dem Verlaufe des Eiszeitgletscher richtet. Heer hat hierauf aufmerksam gemacht und das Vorkommen von Rhododendron ferrugineum, das sonst im Allgemeinen den kalkarmen Formationen. angehört, auf dem Jura da- durch erklärt, dass dasselbe mit dem Eiszeitgletscher des Rhonethales dahin gebracht worden’ sei. In gleicher Weise muss ohne Zweifel: das Vorkommen‘ dieser Pflanze an dem Gomersee und Langensee, ferner an ein, Paar Stellen dies-
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seits der Alpen gedeutet werden. Die eben genannten Stand- orte sind weit von den Alpen entfernt und die Verbreitung der Pflanze auf ziemlich grosse Strecken unterbrochen.
Wir können also, um bloss einige extreme Standorte herauszuheben, sagen, die rostblättrige Alpenrose, habe seit der Eiszeit hochalpine bis’ 7000’ und darüber liegende kalkarme und kalkreiche Localitäten, ferner den warmen | und trockenen Jura, endlich die oberitalienische Ebene von ji 700 bis 1300’ bewohnt, ohne eine bemerkbare Verschieden- heit erlangt zu haben.
_ Aehnlich wie mit der Alpenrose verhält es sich ah Hieracium Pilosella und H. Hoppeanum. Letzteres, das sonst in den Alpen von 4500—7000° gefunden wird, kommt unterhalb München auf Haiden und in Torfmooren vor. Man könnte vermuthen, dass es von der Isar herab- geschwemmt worden sei, wie diess mit so vielen Alpen- pflanzen der Fall ist. Allein diese Annahme ist nicht. ge- rechtfertigt. Heruntergeschwemmte Alpenpflanzen finden sich da und dort im Kies des Flusses, und zwar unter gleichen Verhältnissen um so häufiger; je mehr man sich dem Ge- birge nähert; sie verbreiten sich wohl auch an dessen nächste Abhinge. H. Hoppeanum kommt aber sonst im ganzen Isarthal nicht vor; es mangelt in den nächsten Alpen. Sein
nächster Standort im Flussgebiet der Isar ist auf einigen ~ :
Bergen bei Partenkirchen, in einer Entfernung von mehr als 13 geographischen Meilen Flusslänge. Ferner ` durch-
strömt der Fluss (die Loisach) auf seinem Wege einen <
See, wodurch der weitere Transport von Pflanzen und Samen unmöglich wird. Endlich findet sich die Pflanze bei München nicht im Kies der Isar, sondern auf der Haide und im Moor und entfernt sich bis auf mehr als 3 geographische Meilen vom Fluss. Dieses Vorkommen spricht entschieden dafür, dass H. Hoppeanum zur Eiszeit mit den Gletschern heruntergekommen ist und sich seit jener Zeit auf einem
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vorgeschobenen und isolirten Posten behauptet hat. Von ebenso langer Dauer muss das Vorkommen “der gleichen Pflanze auf verschiedenen räumlich weit von einander ge- trennten Localitäten der Alpen sein. Trotzdem finden sich in der bayerischen Ebene, auf den bayerischen und den andern Alpen vollkommen die gleichen Formen dieser Pflanze. Bei Hieracium Pilosella gilt das Nämliche für noch viel ungleichere Localitäten.
Hier ist auch einer Theorie von A. de Candolle zu erwähnen. Indem derselbe (Géogr. bot. 1088) annimmt, dass eine lange Einwirkung von äussern Einflüssen die Arten verändern und dauerhafte Varietäten bilden könne, gesteht er jedoch ein, er kenne nur eine einzige Eigenschaft, die sich durch das Klima gebildet habe, nämlich die Eigen- schaft dem Frost zu widerstehen. © Er führt für seine An- sicht zwei Gründe an. Der eine ist die Angabe von Hooker fil., dass Samen von Pinus und Rhododendron, die in einer bedeutenden Höhe des Himalaya gesammelt wurden, gegen den Frost dauerhaftere Pflanzen liefern, als Samen von geringerer Höhe. Der andere ist die Thatsache, dass die Arten, welche in wärmeren Gegenden, namentlich auf Inseln leben, bei uns die Kälte nicht ertragen, was de Candolle davon herleitet, dass sie während Jahrtausen- den der Wärme ausgesetzt gewesen und ihre Natur gleich- sam darnach geformt hätten.
Ich war a priori durchaus nicht gegen diese Theorie; ich hielt sie für möglich, selbst für wahrscheinlich. Die thatsächliche Begründung scheint mir aber noch sehr mangelhaft. Da ich die Entscheidung der Frage für: wichtig ‚halte, so sei es mir gestattet, einige kritische Anmerkungen ga der Beweisführung zu machen, und dann die Art und Weise darzulegen, wie nach meiner Ansicht das Factum, wenn es sich bestätigen sollte, zu erklären wäre.
Ich setze die vollkommene Richtigkeit des von Hooker
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berichteten Verhaltens von Samen aus grösserer und ge- ringerer Höhe voraus. Aber ich frage mich, ob der daraus gezogene Schluss berechtigt sei. 1) Ist der Versuch hin- reichend oft wiederholt, dass man ihn für sicher halten kann, und dass man wirklich annehmen darf, der Erfolg | rühre nicht von irgend welchen Nebenumständen her, son- dern bloss von dem verschiedenen Klima, in welchem die Samen reiften? 2) Wenn diess unzweifelhaft ist, sind- die geringen Erhebungen und die Regionen der untern Ver- breitungsgrenze ebenso angemessen der Natur der fraglichen Arten, wie höhere Gegenden; oder gedeihen sie in den letztern vielleicht besser und geben desshalb besseren Samen und stärkere Pflanzen ? iy Beide Einwiirfe werden an einem Beispiel klarer her- vortreten. Wenn das Klima den von de Candolle ver- mutheten Einfluss hat, so wird es sich ebenso an den in kalten Gegenden wachsenden Pflanzen bestätigen. Hine Alpenpflanze, die von 3000 bis 9000’ ‘Meereshdhe vorkommt, wird das Klima der Ebene leichter ertragen, wenn die Samen bei 3000’, als wenn sie bei 9000’ gesammelt werden. Denn die bei 3000’ wachsenden Pflanzen haben sich während langer Dauer über ein Clima geformt, welches dem der Ebene nicht sehr ungleich ist. — Ich wünschte darüber Auskunft zu erhalten; aber ich bekam sie nicht. An Theorieen mangelt es zwar nicht, aber an sicheren That- sachen. In den einen Fällen wurde zwar beobachtet, dass Samen, in geringerer Höhe gesammelt, besser aufgingen und dauerhaftere Pflanzen gaben. In andern Fällen zeigte sich das Umgekehrte; und meistens liess sich eine Verschiedenheit nicht angeben. Offenbar überwiegen hier noch die Zufällig-
keiten und Fährlichkeiten, welche mit der Cultur der Alpen ~~
pflanzen überhaupt verknüpft sind. Ferner wurden bis jetzt keine vergleichenden Versuche angestellt, welche sich gerade die Lösung des angeregten Problems zum Ziele setzten.
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Solche Versuche, die mit gehöriger Umsicht und Kritik aus-. geführt würden, könnten allein die Entscheidung geben.
j Eine Thatsache scheint mir sicher, nämlich, dass einige | sehr tief hinabsteigende Alpenpflanzen in der Cultur nicht gedeihen, namentlich auch nicht zur Blüthenbildung ge- langen, wenn sie von den tiefsten Standorten in den Garten gepflanzt werden, während sie von höhern Localitäten gut gedeihen und reichlich ‚blühen. Ich erkläre mir diess folgender Maassen. Eine Pflanzenart befindet sich an den Grenzen ihres Verbreitungsbezirkes unter den ungünstigsten Bedingungen; denn eine geringe Veränderung der äussern Verhältnisse macht ihr Fortkommen unmöglich. Sie gedeiht hier also weniger gut, ist in schwächern, krankhafteren Exemplaren vertreten und -giebt dem entsprechend auch weniger guten Samen. Es ist somit begreiflich, dass wenn die schon von Natur schwächlichen Pflanzen von der untern Verbreitungsgrenze einer Alpenart unter noch ungünstigere äussere Einflüsse versetzt werden, sie denselben weniger zu widerstehen vermögen, als kräftigere Pflanzen von einem höhern Standort, der ihrer Natur vollkommen ange- messen ist.
Ich habe früher expats dass Hieracium Pilosella bis über 7000’ hoch steigt ns dass das sehr nahe ver- wändte, sonst den Alpen angehörende H. Hoppeanum bei München vorkommt. Man sollte nun vermuthen, H. Pillo- sella, von den höchsten: Standorten in den Garten ver- pflanzt, gedeihe schlecht, weil es sich über ein alpines Klima geformt hat, H. Hoppeanum aus den nächsten Um- gebungen in Cultur genommen, komme gut fort. Es ver- hält sich gerade umgekehrt; ein Beweis, dass andere Vere hältnisse hier massgebend sind. |
Von der merkwürdigen Verbreitung der rostblättrigen Alpenrose wurde ebenfalls schon gesprochen. Für die Cultur dieser schönen Pflanze müsste es, wenn das Klima die
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Natur zu ändern vermöchte, von Wichtigkeit sein, ob man Samen und Pflanzen vom Jura, aus den Urgebirgsalpen oder vom Comersee holte. Es wäre selbst zu fürchten, dass die Pflanzen aus der oberitalienischen Ebene unser Klima zu. kalt finden: Der Versuch wäre jedenfalls zu machen; das Ergebniss würde von grosser Wichtigkeit sein *°).
10) Die Schlüsse, welche man aus der Cultur der Alpenpflanzen zieht, modifiziren sich je nach den Ansichten, die man über die Ur- sachen des Gelingens oder Misslingens hegt. Nach meiner Meinung ist‘ die Temperatur entscheidend. ‚Alpenpflanzen und nordische Pflanzen gedeihen desswegen in unsern Garten nicht, weil es ihnen zu warm ist. Der Sominer ist zu lang; seine ‘mittlere Temperatur und die Extreme sind zu hoch. High
Man hat diese so einfache und einer unbefangenen Vergleichung sich unmittelbar aufdrängende Ansicht durch andere Erklärungen ersetzen wollen, dabei aber meist wichtige thatsächliche Verhältnisse übersehen. Ich spreche hier nur von einer dieser Erklärungsweisen, weil sie in enger Verbindung mit dem im Texte besprochenen Pro- blem steht. i <6
A. de Candolle (Géogr. bot. 325) kommt zu dem Schlusse, dass die Alpenrose auf den höchsten Bergen durch den Mangel an Wärme (nicht durch die Kälte) am Höhersteigen und umgekehrt am Fusse der Alpen durch die Winterkälte und nicht durch die Sommer- wärme am Tiefergehen verhindert werde. Uebrigens sollen noch viele andere Alpenpflanzen in der Ebene und am Fusse der Berge durch die Winterfröste leiden. Desswegen müsse man dieselben in den botanischen Garten im Winter: wie Gewächse südlicher Länder bedecken. sehr;
Wenn diese Theorie richtig wäre, ŝo müsste die verticale Ver- breitung von Rhododendron durch einen breiten Gürtel unter- brochen sein. Die Pflanze würde hinuntergehen bis- dahin, wo die mächtige Schneedecke der Höhe aufhört, und ihr keinen Schutz mehr gewährt; sie müsste dann dort wieder beginnen; wo sie auch ohne Schneedecke. den milden Winter überdauert. Diess ist nicht der Fall. Rhododendron ferrugineum findet sich in der Nahe der oberitalienischen Seen von. 700 bis 1300‘, und wahrscheinlich hoher. Auf der Nordseite der Alpen fängt Rh. hirsutum bei 1300°,
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Berücksichtigen wir noch die andere von A. de Gan- ‘dolle erwähnte Thatsache, dass Pflanzen, welche Jahr-
Rh. ferrugineum bei 1700’ an; von dieser untern Grenze bis zur obern Grenze von 7000° ist keine Höhe ausgeschlossen.
Wenn die Theorie von A. de Candolle über die Ursache der Verbreitung der Alpenpflanzen richtig wäre, so müssten viele der- selben auf den boromäischen Inseln leicht zu ziehen sein und in unsern Gärten müsste die Cultur bei frostfreier Ueberwinterung leicht gelingen, was wohl nicht der Fall ist.
Gegen die Annahme, dass die Alpenpflanzen desswegen in der Ebene nicht fortkommen, weil ihnen die schützende Schneedecke der Alpen mangelt, scheinen mir überhaupt zwei Gründe zu sprechen:
1) Es mangeln in den Alpen die Erscheinungen, welche schäd- lich wirken sollen, nämlich Schmelzen des Schnees mit abwechselnden Frösten, keineswegs; nur treten sie einige Monate später ein.
2) Viele Alpenpflanzen sind im Winter gar nicht von jener mächtigen Schneedecke, von der man so häufig‘ spricht, geschützt. Es giebt in den Gebirgen an Felswänden und an andern sehr steilen und den Stürmen ausgesetzten Hängen genug mit Pflanzen bewach- sene Stellen, wo kein halber Fuss Schnee liegen bleibt. Es giebt selbst viele Pflanzen, welche den ganzen Winter über unbedeckt bleiben. Wer eine ordentliche Kletterpartie gemacht hat, wird genug solcher Standorte gesehen haben; und sie sind oft gerade von den schönsten und kräftigsten Exemplaren bevölkert. Ich sage nicht zu viel, wenn ich behaupte, dass 80 Prozente aller Arten ausnahms- weise solche schneefreie Stellen bewohnen.
Wenn man die Alpenpflanzen in unsern Gärten bedeckt, so ge- schieht es mehr, weil man sie vor dem Aufthauen schützen will. Die Annahme, dass dieselben von den Winterfrösten leiden, beruht zum Theil auf Irrthum, weil schon im Sommer der Keim des Todes sich entwickelt; der Tod aber erst im nächsten Frühjahr, wo die Pflanze treiben sollte, deutlich wird. Zum Theil ist dieselbe jedoch richtig, aber die Pflanzen leiden bloss desshalb durch die Fröste, weil sie in der ungewöhnlichen Sommertemperatur krank und schwach geworden sind. — Es ist übrigens noch zu bemerken, dass das Herausheben der kleinen Alpenpflanzen durch den Frost, wenn die- selben noch nicht gut bewurzelt sind, eine Erscheinung ist, die auch andere kleine Pflänzchen mit ihnen theilen. »
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tausende lang ein heisses Klima bewohnt haben, in kältern Ländern zu Grunde gehen. Die Argumentation ist folgende. Eine Art war entweder von Anfang an nur für ein heisses, oder sie war sowohl fir ein heisses als für ein kaltes Klima befähigt. In letzterm Falle hat sie durch “einen längern Aufenthalt unter den Tropen die Fähigkeit, in ge- missigten und kalten Gegenden zu leben, ‘eingebiisst. Wenn wir nun wüssten, ob es wirklich Arten ‘giebt, die zu der zweiten Kategorie gehören oder nicht, so wäre die Frage entschieden. A. de Candolle sagt, Pflanzen, die auf Continenten (z. B. in’ Mexico ‘oder in Indien) leben ‚ be- weisen nichts. Denn -denselben stand kein Hinderniss im Wege, sich nach Norden auszubreiten ‘und wenn sie €s - nicht: gethan haben, so miisse angenommen werden, dass eine physiologische Ursache ihnen von Anfang an nicht’ ge- stattete, die Kalte zu ertragen. Anders verhalte es sich mit den Pflanzen, ‘die auf den Inseln leben (z. B. auf St. Helena, Madeirs);; diesen war zu jeder Zeit die Möglichkeit der - Wanderung abgeschnitten; sie konnten es: nicht mit einem kältern Klima versuchen. Man habe-ihnen nun diese Möglichkeit verschafft; man habe sie in unsere Gärten ver- pflanzt, und es zeige sich, dass sie unsere Kälte nicht er- tragen. Also sei ihnen durch einen langen Aufenthalt in einem warmen Klima eine besondere Constitution verliehen worden. | |
Ich sehe die Nöthigung zu dieser Folgerung nicht ein. Die Frage ist, ob die auf Inseln lebenden Arten von An- fang an ihre jetzige Natur hatten oder nicht.» Mit Sicher- heit lässt sich diess nicht entscheiden. Aber esw ist im höchsten Grade wahrscheinlich, dass die Pflanzen der Inseln sich in dieser Beziehung verhalten «wie (diejenigen, die in gleichen Breiten auf den Continenten sich befinden. Da nun die letztern, nach der Annahme de Candolle’s, von Anfang an nicht für ein kälteres Klima geeignet waren, SO müssen
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wir das Nimliche fir die Inselpflanzen annehmen, Nur wenn ein grosser Theil der tropischen Continentpflanzen mit ihrer Verbreitung bis in die gemässigte Zone reichte, dürften wir mit einiger Berechtigung die Vermuthung hegen, es sei eine analoge Prozentzahl der Inselpflänzen ursprünglich für ein gleiches weites Vorkommen bestimmt gewesen,
Die Erfahrungen vermögen also den Beweis noch nicht zu leisten, dass eine Pflanzenart, die während eines langen Zeitraums einer bestimmten Temperatur ausgesetzt ist, eine dauernde innere Umstimmung erfährt, während sie im Ueb- rigen die nämliche bleibt. Aber es ist auch das Gegentheil nicht dargethan. Diese Umstimmung, wenn sie wirklich vorkäme, wäre übrigens der Varietätenbildung vollkommen analog; sie könnte wie diese erklärt werden und würde durchaus nicht zu dem Schlusse berechtigen, dass die äussern Einflüsse die bestimmte Wirkung hervorgebracht haben,
Die. Umbildung würde nämlich durch natürliche Zucht- wahl erfolgen. Eine Pflanze komme auf zwei klimatisch sehr ungleiche Standorte z. B. in die italienische Ebene und nach Norwegen oder in die Hochalpen. Es finden, wie das überhaupt immer geschieht, von Generation zu Generation geringe Modificationen in der chemischen und physikalischen Beschaffenheit statt. Sind dieselben für die Existenz nicht vortheilhaft, so gehen ihre Träger im Kampfe um das Da- sein zu Grunde; sind sie aber nützlicher als die schon vor- handenen chemisch-physikalischen Eigenschaften, so werden ‚sie erhalten, sie haben Gelegenheit, sich weiter auszubilden, und zuletzt werden sie allein in den Individuen repräsentirt sein, weil die Träger der weniger günstigen Eigenschaften verdrängt wurden. Es ist nun denkbar, dass in dem an- genommenen. Beispiel in Italien einerseits, in Norwegen oder auf den Alpen anderseits ungleiche innere Constitutionen sich als die vortheilhaftesten erwiesen und dass daher sich
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zwei verschiedene chemisch-physikalische Varietäten aus- bildeten.
Somit wären auch hier die veränderten Eigenschaften der Gewächse nicht als die direkte Folge der äussern Ein- flüsse anzusehen. Wir könnten nur in sehr uneigentlichem Sinne sagen, die Pflanze habe sich über das Klima geformt. - Denn nicht in allen Individuen treten, wie es nach dieser Theorie nothwendig wire, die Veränderungen ein. Die letztern entstehen aus innern Ursachen, und die äussern Bedingungen entscheiden bloss über die Existenzfähigkeit derselben. !
Eine solche Veränderung in der chemisch-physikalischen Constitution, wie sie hier angenommen wurde, kommt nun sicher bei der gewöhnlichen Varietäten- und Racen-Bildung vor, und insofern müsste sie nicht besonders bewiesen werden. Aber bei der letztern gehen mit der innern Um- stimmung Abweichungen in der äussern Form Hand in Hand. Die von A. de Candolle beregte Frage sollte daher nach meinem Dafürhalten eigentlich so formulirt werden: Kann eine Pflanze bloss ihre chemisch-physikalische Natur ändern und im Uebrigen dieselbe bleiben, oder bedingt die innere Umstimmung nothwendig auch einen Wechsel im Habitus, so dass nicht bloss physiologisch sondern auch systematisch eine neue Varietät oder Race entsteht?
Diese Frage gewährt das grösste wissenschaftliche In- teresse. Sie beschränkt sich nicht bloss auf den Einfluss einer ungleichen Temperatur, sondern betrifft alle klimatischen und Bodenverhiltnisse. Hat die rostblättrige Alpenrose, welche seit der Eiszeit auf dem Kalk des Jura, auf dem Granit, Gneis und Schiefer der höchsten Alpen und an den oberitalienischen Seen lebte, innerlich eine verschiedene Constitution angenommen, obgleich sie äusserlich als 'die gleiche erscheint? Wie verhält es sich mit Hieracium Pilosella und vielen andern Pflanzen, die ein eben so
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mannigfaltiges Vorkommen darbieten? Sind Arten, die in den Alpen, in den Pyrenäen, im Caucasus, im hohen Norden in der gleichen systematischen Form auftreten, innerlich gleich oder ungleich? Die Zeit, während welcher sich die innere Verschiedenheit hatte ausbilden können, mangelt bei diesen Beispielen ‚gewiss nicht... Ob dieselbe. wirklich vorhanden ist, müsste sich bei passenden Culturversuchen ergeben.. Das Resultat lässt sich zwar nicht mit Sicherheit voraussehen, aber nach Allem, was bis jetzt bekannt ist, dürfte es wenig wahrscheinlich sein, dass eine innere Um- bildung ohne grössere oder kleinere Abweichungen im äussern Habitus eine constante Race zu bilden vermöge 11),
11) Die vorliegende Frage steht in inniger Beziehung zur Frage über die Acclimatisation. Wenn die äussern Einflüsse eine Umstim- mung in der chemisch-physikalischen Beschaffenheit eines Organismus hervorrufen könnten, so hätte die Acclimatisation im gewöhnlichen Sinne eine wissenschaftliche Berechtigung. Es wäre bloss ihre Auf- gabe, die Versuche ohne Zuchtwahl während hinreichend langer Zeitdauer, fortzusetzen. Wenn aber, wie ich glaube, die äussere Einwirkung für sich direkt nichts vermag, so hängt der Erfolg der Acclimatisation lediglich davon ab, ob sich nützliche Abänderungen bilden, und die Aufgabe besteht darin, fleissig zu züchten und aus der zahlreichen Nachkommenschaft immer wieder nur diejenigen Individuen zur Nachzucht zu verwenden, welche von dem nenen Klima am wenigsten leiden. Diess scheint mir der einzige rationelle und erfolgversprechende Weg zu sein, wenn er auch die Wünsche und Hoffnungen der Acelimatisationsgesellschaften auf ein schnelles Resultat wenig befriedigen dürfte. Es handelt sich also nicht darum, eine Pflanzen- oder Thierform an neue Verhältnisse zu gewöhnen, sondern darum, aus : derselben eine für . diese neuen Verhältnisse passende neue Varietät oder Race zu erzielen. Dass diess möglich ist, zeigen uns die vielen Sorten der Obstbäume, von denen die einen für südliche, die andern für nördliche Gegenden geeignet sind.
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Ich habe in dem Vorstehenden die Thatsachen erörtert, welche uns die Vorkommensverhältnisse in der Natur und die Erfahrungen iiber_ die Cultur geben. Die Ergebnisse waren folgende:
1) Die Varietäten sind nicht so über’ die verschiedenen Standorte vertheilt, dass man jene als das Produkt dieser annehmen dürfte, indem. einerseits die gleiche Varietät auf den verschiedensten Localitäten, anderseits auf der gleichen Localität die verschiedensten Varietäten der gleichen Art leben.
2) Bei der Cultur entstehen auf dem gleichen Stand- orte zwei oder mehrere Racen. Die gleiche Race kann sich auf Standorten von wesentlich verschiedener Beschaffenheit während einer äusserst langen Dauer, selbst während eines
‚geologischen Zeitabschnittes unverändert erhalten; "während
der gleichen Zeitdauer können zwei Racen der gleichen Art
unter ganz gleichen äussern Bedingungen ihre Verschieden- heit bewahren.
3) Die Varietätenbildung wird demnach durch innere Üw
Ursachen bedingt. Die äussern Einflüsse bringen nur Modi- ficationen von untergeordneter Bedeutung und ohne Fähig- keit, irgend eine Constanz zu erlangen, hervor, Modificationen die sich vorzüglich durch Grössen- und Zahlenverhältnisse charakterisiren.
Ich will noch kurz ausführen, wie ich mir den Vorgang bei der Varietäten- oder Racenbildung denke. Alle äussern Einflüsse: wirken auf die Pflanze ein, jeder verursacht eine seinem Angriff entsprechende grössere oder kleinere Ver- änderung: Diese Veränderungen treffen zunächst die chemische und physikalische Constitution ; wenn sie ein gewisses Maass erreichen, so werden sie auch’ im Habitus und der äussern Form der Pflanze bemerkbar. Im Allgemeinen können wir zweierlei Veränderungen unterscheiden ; ` solche welche un- mittelbar sich als die ‘Folgen der äussern Einwirkungen
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kundgeben, und solche, bei denen diess nicht der Fall ist. Die erstern: stellen sich immer ein; sie lassen sich zum voraus berechnen; sie sind unfähig, irgend eine Constanz zu erreichen, weil sie zu den äussern Agentien in unmittel- barem causalem Verhältniss stehen; — sie bewirken die -Standortsmodificationen. Die letztern sind für unsere Be- obachtung und Beurtheilung noch ein Räthsel; sie scheinen zu den äussern Einflüssen ganz ohne Beziehung zu sein; sie treten zunächst als individuelle Erscheinungen auf, erlangen aber unter Umständen eine grössere oder geringere Con- stanz; ~ sie führen zur Bildung von Varietäten oder Racen.
Wenn eine Pflanze auf verschiedene Localitäten kommt, so wird sie sogleich yon denselben affızirt. Eine grössere Menge ‚von: Nährstoffen macht sie grösser und :üppiger. Höhere, aber nicht zu hohe Temperatur befördert die Bild- ung von Zucker, ätherischen Oelen, Bitterstoffen, Alkaloiden. Grössere Lichtmenge bewirkt intensivere Färbung. Feuchtig- keit macht die Gewebe grossmaschiger und weicher. Diese äussern. Ursachen können Formen hervorbringen, die em- ander sehr ungleich sehen; die Lichtform der Hochalpen weicht. beträchtlich: von der Schattenform der Ebene ab. Die erstere. ist klein, unverzweigt, fast stengellos, mit wenigen kleinen ungetheilten, dichtgedrängten Blättern ‚mit einer oder, wenigen Blüthen und mit lebhafter Färbung’ aller Theile. Die zweite ist ‘gross, verzweigt, mit zahlreichen grossen, ‚ getheilten, | entfernt stehenden Blättern, mit zahl- reichen Bliithen und mit blasser Färbung der Gewebe.
Diese Standortsmodificationen, so unähnlich sie einander sind, stellen doch keine eigentlichen Varietäten oder Racen dar. Denn, sie haben keine Constanz, Auf einem andern Standorte gehen sie in die demselben entsprechende Modi- fication über. Die Cultur entscheidet daher immer, ob eine Pflanzenform! der einen oder andern Categorie beizuzählen
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sei. Zweir@ewächse, die bloss in Standortsmerkmalen von einander differiren, müssen, neben: einander in den Garten gepflanzt, vollkommen gleich werden. |
Die| Lehre von den unmittelbaren. Folgen’ «der äussern Einwirkung findet eine allseitige Anwendung in’dem Betriebe des Girtners und des Landwirths. „Darauf. beruht -das Düngen, das Begiessen, das Warm- und Kaltstellen, das Beschatten; und wenn sich auch die) Folgen bloss, im Allge- meinen voraussagen lassen, so. hängt: das, \mit,.der.. noch mangelhaften Erfahrung zusammen. Niemand kann ‚daran zweifeln , dass sich 'einst,. mit grosser ‚Genauigkeit, wird be- stimmen lassen, was: die ‚äussern, Medien, eine. gewisse Düngung, eine gewisse Temperatur, eine | gewisse Lichtmenge in der oder. jener. Pflanze unmittelbar ‚bewirkt.
Diese unmittelbaren Veränderungen: treten in allen Indivi- duen, welche, den nämlichen äussern Einflüssen ausgesetzt sind, ein. Desswegen, mächen ‚sich. die’ Localitätsmerkmale auf einem. ‘gleichférmigen. grössern Standorte ‚überall ganz gleichmässig und gleichzeitig bemerkbar. Ausserdem: i-giebt es aber noch gewisse Eigenschaften, welche von Individuum zu Individuum wechseln; die Tochterpflanze . ist von... der Mutter, die Schwesterpflanze von der Schwester verschieden; die Abweichung: ist bald. äusserst gering , , bald aber auch so beträchtlich, dass. sie die Localitätsverschiedenheiten über- wiegt... Man. kann diese individuelle Veränderung nicht von den äussern Einflüssen herleiten, weil diese ja in dem gegebenen Falle auf alle Pflanzen gleich wirken; sie rührt von innern Ursachen her !?).
12) Wenn ich von innern Ursachen spreche, so. verstehe ich darunter die Gesammtheit der Erscheinungen, ‚welche das Individuum ausmacht und, mit der es der Aussenwelt gegeniibertritt, Darin sind natürlich die Folgen . der äussern Einwirkungen, welche „es, selber früher erlitt, und welche alle seine Vorfahren erlitten, inbegriffen.
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Die Verschiedenheiten zwischen den Individuen be- stehen, wie die von aussen angeregten Localitätsmodifica- tionen, zunächst in chemischen und physikalischen Veränder- ungen, vorzüglich aber in Veränderungen der Molecular- constitution 19). Sie geben sich nachträglich in allen möglichen Abweichungen der innern Structur und der äussern Form, namentlich auch in einem veränderten Habitus kund.
Sie nehmen im Allgemeinen von Generation zu Genera- tion abwechselnd zu und ab; sie schwanken zwischen ge- wissen Grenzen hin und her. Ausnahmsweise aber geschieht es, dass die individuelle chemisch-physikalische Veranderung sich durch eine Reihe von Generationen steigert; die der- selben entsprechenden, der sinnlichen Wahrnehmung zugäng- lichen, äussern und innern Umbildungen nehmen allmählich oder sprungweise zu und werden constant. Die individuelle Verschiedenheit hat sich zur Varietät entwickelt.
An - dieser Varietätenbildung können wir zwei Momente unterscheiden , den Beginn der Bewegung und die Richtung derselben. ‘Beides hängt von innern Ursachen ab. Es ist unzweifelhaft, dass die Neigung zum Variiren bei verschie- denen Arten verschieden, und dass sie bei der gleichen Art im Verlaufe der Zeit bald geringer bald grösser ist. Man könnte vermuthen, dass die Eigenthümlichkeit der äussern Einflüsse, das Gleichbleiben oder der Wechsel derselben daran "schuld wären. Diess wird aber desswegen unwahr-
Sie haben sich mit seiner Natur assimilirt und bilden einen inte- grirenden und untrennbaren Theil derselben.
13) Dass es vorzugsweise die moleculare Constitution, also die eigenthümliche Anordnung der Stoffe ‘in ihren kleinsten Theilchen
ist, welche die individuelle Veränderung bedingt. geht daraus her- vor, dass die letztere sich zur Varietätenbildung steigern kann, ohne dass die mikroskopische oder chemische Analyse noch die geringste Verschiedenheit nachzuweisen im Stande ist.
scheinlich, weil von allen Individuen, die sammt ihren Vor- fahren den gleichen äussern Einflüssen und dem gleichen Wechsel derselben ausgesetzt waren, nur einzelne es sind, in denen die Varietätenbildung beginnt. Dass die Richtung der letztern von den äussern Verhältnissen unab-
hängig ist, habe ich weitläufig nachgewiesen.
Wenn ich 'sage, dass der Beginn und der Verlauf der Varietätenbildung von innern Ursachen bedingt werde, so will ich natürlich die Mitwirkung der äussern Verhältnisse nicht absolut ausschliessen. Diese müssen immer in ge- wissem Grade betheiligt sein; allein ihre Betheiligung ist immer nur eine untergeordnete und durchaus: nicht mass- gebende. Vielleicht dass sie den Anstoss zur Bewegung geben, vielleicht auch, wenn diese angefangen hat, den Im- puls zu einer Richtungsveränderung. Ein Beispiel wird diess deutlich machen.
Eine Pflanze befindet sich auf einem Bolen mit mitt- | lerem Kalk- und Kieselerdegehalt; sie bleibt daselbst unver- © ändert. Auf einen sehr kalkreichen Boden gebracht, bė- ginnt die individuelle Veränderung und Varietätenbildung in zwei einzelnen Individuen, schlägt aber hier ungleiche Richt- | ungen ein und erzeugt zwei ungleiche Formen, während die übrigen Individuen unverändert bleiben. ` Die .reichliche Kalkzufuhr bewirkt ‘zwar unmittelbar die nämlichen Modi- ficationen in allen Pflanzen. Aber nur in einzelnen vermag sie eine merkliche und nachhaltige Störung des complizirten Lebensprozesses hervorzubringen, welche den Anstoss zu einer Reihe von secundären Veränderungen giebt. Diese Störung tritt in einem Individuum früher in dem andern später ein, hier in dem einen dort in einem andern Theil des Organismus, hier in dieser dort in einer andern Weise; sie führt daher in den verschiedenen Pflanzen ungleiche secundäre Veränderungen herbei und erzeugt ungleiche Racen. Alles diess hängt von der individuellen Beschaffenheit
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ab. Es ist daher begreiflich, dass in dem angenommenen Falle neben einander gross- und kleinblüthige, früh- und spätreifende, kahle und behaarte Varietäten entstehen. — Wird die Pflanze, statt auf einen kalkreichen, auf einen sehr kieselreichen Boden gebracht, so können da die nämlichen Erscheinungen eintreten; es kénnen selbst die gleichen Racen entstehen. Denn-pwie die gleiche äussere Ursache ungleich- artige Störungen im Organismus: veranlasst, so’ müssen auch ungleiche ‚Ursachen gleichartige Störungen bewirken können. : Der Organismus ist. einer Maschine‘ zu vergleichen, in welcher die Krifte umgesetzt werden: Die Wirkungsweise hängt von der Art der Umsetzung ab. Das einfachste Bei- spiel ‘finden wir an dem Hebel oder der Rolle, wo die Richtung einer Kraft ‘beliebig geändert wird. ` Ein gleiches Gewicht, das an zwei Rollen hängt, bewegt vermittelst dieser eine Masse nach rechts, vermittelst jener nach links, also: in entgegengesetzter Richtung. — Ein anderes. fast eben so einfaches Beispiel geben uns die Pendeluhren.. Die Uhr mit dem gewöhnlichen Pendel geht in der Wärme zu langsam, In der Kälte zu schnell. Die Uhr mit ‚einem Compensa- tionspendel geht immer gleich. Eine Uhr mit übereompen- sirtem Pendel würde bei hoher Temperatur zu schnell, -bei niedriger zu langsam gehen. Die. Wärme wirkt immer gleich, sie dehnt die Metallstäbe des Pendels aus; aber 6s hängt von dessen Einrichtung ab, welcher Ausschlag durch die Ausdehnung oder Zusammenziehung der Metalle gegeben wird. Es kann also in zwei verschiedenen Uhren. die nim: liche äussere Einwirkung (die gleiche Temperatur) den. ent- gegengesetzten Effekt: hervorbringen, und es können: zwei entgegengesetzte Einflüsse (Wärme und Kälte) in zwei Uhren den gleichen: Erfolg haben. Wenn diess bei so. einfachen Vorrichtungen möglich ist, so begreifen wir, dass es in einer complizirten M
aschine - wie die Pflanze um so eher der Fall sein muss
. Die äussern
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Einwirkungen werden hier so vielfach umgesetzt und ver- mittelt, dass wir keine Beziehung mehr zwischen dem ersten Anstoss und dem endlichen Resultat auffinden. Wie in der einfachen Maschine die Arbeit, welche dieselbe liefert, als das Produkt der bewegenden Kraft und der innern Ein- richtung sich darstellt, so ist es auch in der Pflanze; nur erscheinen hier wegen der äusserst complizirten Einrichtung die innern Ursachen ‘gegenüber den äussern . weitaus über- wiegend und massgebend.
Ob eine individuelle Veränderung in der Cultur zur Race wird, hängt von der Zuchtwahl ab. Damit sie in der freien Natur zur ausgesprochenen und constanten Varietät sich ausbilde, müssen verschiedene Bedingungen erfüllt sein. Einmal wird der Ausschluss der Kreuzung verlangt. Dass im Allgemeinen die individuellen Verschiedenheiten hin- und herschwanken und’ gewisse Grenzen nicht überschreiten, be- ruht vorzüglich in dem Umstande, dass die Weiterbildung durch mehrere Generationen immer wieder durch die Be- fruchtung anderer Individuen gestört wird.
Zur Entstehung einer Varietät in der Natur wird ferner erfordert, dass dieselbe sich hinreichend existenzfähig er- weise, um sich in dem Kampfe gegen die schon. vorhandenen Varietäten zu behaupten. Es beginnen gewiss eine Menge von neuen kormen in der Natur, aber sie werden sogleich wieder von den bereits bestehenden stärkeren Formen ver- drängt. ~ Der Grund, warum eine Varietät in der Natur dieselbe bleibt, kann also ein dreifacher sein: 1) weil ihr die Neig- ung zur Variation mangelt, 2) weil zwischen ihren Indivi- duen wenigstens von Zeit zu Zeit Kreuzung stattfindet, 3) weil sie existenzfähiger ist, als die Varietäten, die hin und wieder aus ihrem Schoosse geboren werden. — Wir begreifen, dass die Varietäten in der Natur sehr lange, selbst während der Dauer einer geologischen Periode sich unverändert erhalten, wenn die äussern Verhältnisse keine wesentlichen Modificationen erleiden; dass aber bei Umbild- ungen der Erdoberfläche und ihrer klimatischen Verhältnisse auch eine reichliche Varietätenbildung eintritt.
Hat die neue Varietät sich durch ungestörte Inzucht ausgebildet und Constanz gewonnen, so hängt ihre Ausbreit-
158 À ung von dem Grade. đer Existe andern Formen ab. Erweist si
stört neben einander fort. Da die Localitäten äusserst mani So müssen sich auch die Verhältnisse schliessungsvermögens sehr ver Varietäten vermag die eine di orten ganz, licher. W Stand aher finden , dort B allein, an einem d wiegender, an einem vierten in einem ‘fünften Beide Wir beobachten
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and die Form B trägt,
faltigen Abstufungen der Existenzfähig klimatischen und Bodeneinfliissen,
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19. Ueber die Bedingungen des Vorkommens von Arten und Varietäten innerhalb ihres Ver- i breitungsbezirkes. (Vorgetragen den 15. Dezember 1865.)
In meiner Mittheilung vom 18. November habe ich über den Einfluss der äussern Verhältnisse auf die Varie- tätenbildung gesprochen und dargethan, dass nur die nicht- constanten, uneigentlichen Varietäten als die unmittelbaren Folgen der klimatischen und Bodeneinflüsse zu betrachten sind, dass dagegen die constanten, wirklichen Varietäten (und somit auch die Arten, insofern dieselben weiter ausge- bildete Varietäten sind) inneren Ursachen ihren Ursprung verdanken. Es wurden dabei vielfach die Vorkommens- verhältnisse auf den verschiedenen Localitäten angeführt, und daraus nachgewiesen, dass die Varietäten nicht die Produkte der Lokalitäten sein können. Damit ist. jedoch nicht gesagt, dass zwischen beiden keine Beziehung bestehe, und dass die äussern Verhältnisse nicht sehr wesentlich das Vorkommen der Varietäten und Arten bedingen. Ich erlaube mir über diesen Punkt heute einige Bemerkungen,
Ich will nicht von der Vertheilung der Gewächse auf der ganzen Erdoberfläche sprechen es besteht kein Zweifel darüber, dass sie hauptsächlich durch die klimatischen Ver- schiedenheiten bedingt wird. Es handelt sich nur um die Ver- theilung derselben in der gleichen Gegend, wo also annähernd identische klimatische Verhältnisse vorausgesetzt werden können. Betrachtet man zwar die zahlreichen und eingehen- den Arbeiten, welche sich mit diesem Gegenstande, der so- genannten Bodenfrage beschäftigten, so sollte man glauben, ein weiteres Wort darüber verlieren hiesse Eulen nach Athen tragen. Berücksichtigt man ‘aber, dass alle Bespre-
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chungen, statt zu einer Uebereinstimmung, zu immer grössern Widersprüchen geführt haben, so dürfte es sich rechtfertigen, wenn der Versuch gemacht wird, den Weg aus diesen Wiedersprüchen heraus zu finden,
Die Frage, um die sich der bisherige Streit drehte, war die: Ist es die chemische oder physikalische Beschaffen- heit des Bodens, welche das Vorkommen der Gewächse be- dingt? und man hat uns abwechselnd bewiesen, dass es die erste oder die zweite sein müsse, oder vielmehr, dass es nicht die zweite oder die erste sein könne. Die Gegner der chemischen Bodentheorie führen aus, däss die sogenannten kalksteten Gewächse auch auf kalkarmem ‚und kieselreichem, und dass die sogenannten kieselsteten Gewächse auch auf kalkreichem und kieselarmem Boden gefunden werden. Die Gegner der physikalischen Bodentheorie zeigen dagegen, dass die Trockenheit liebenden Pflanzen auch auf feuchten Localitäten, die Feuchtigkeit liebenden auch auf trockenem Boden wachsen, dass die Pflanzen, welche dem pelischen
Boden angehören sollen, auch auf psammischem vorkommen und umgekehrt.
Wenden wir uns zuerst zu der chemischen Frage. Die Pflanze muss die für ihren Lebensprocess nöthigen minerali- schen Bestandtheile im Boden finden und zwar in einem Zustande, dass dieselben von ihr aufgenommen werden können. Anstehender Fels und Geröllstücke sind also für die Gewächse bedeutungslos: sie werden es nur, insofern sie verwittern und vorzugsweise, insofern ihre Bestandtheile
von der Erdkrumme absorbirt werden. Diese Absorptions- fähigkeit, die von jeder Verbindung eine bestimmte Menge zu binden vermag, ist die für das Gedeihen der Vegetabilien wichtigste Erscheinung. Die in übergrosser Menge in den Gesteinarten enthaltenen chemischen Verbindungen werden, sobald sie die Bodenkrumme gesättigt haben, vom Wasser
in den Untergrund oder sonst fortgeführt. Die nur in ge-
161 ringer Menge vorkommenden Stoffe werden vollständig oder doch zum grössten Theil absorbirt. Die Bodenkrumme kann somit von Stoffen, die nur als Spuren in dem verwitternden Gestein vorkommen, durch Aufspeicherung eine bemerkbare Menge ansammeln und für die Pflanzenwurzeln verwendbar machen. Auch wo eine solche Aufspeicherung nicht oder nur in geringem Maasse eintritt und der Boden z. B. kalk- arm oder kieselarm bleibt, vermag die Pflanze, indem sie unaufhorlich die dargebotenen geringen (Juantitäten nutzbar macht, eine beträchtliche Menge von Kalk oder Kieselerde aufzunehmen. Es ist daher begreiflich, dass fast ohne Aus- nahme jede Pflanze auf jedem Boden die nöthigen Nähr- stoffe findet, und dass z. B. eine sogenannte Kalkpflanze auf einem kalkarmen Boden gewachsen, zuweilen ebenso viel Kalk enthält, als stammte sie von dem kalkreichsten Standorte 4).
In Uebereinstimmung hiemit wurde gefunden, dass die meisten bodensteten Pflanzen es in der That nicht sind, wenn man nicht bloss einen Theil, sondern das ganze Ver- breitungsareal berücksichtigt; und A. de Candolle (Géogr. bot. 442) neigt entschieden zu der Ansicht, dass es in chemischer Beziehung überhaupt keine Bodenstetigkeit gebe. Andere haben diess noch entschiedener ausgesprochen.
Ein Anhänger der chemischen Theorie würde dagegen
1) Hoffmann Beilage zur-bot. Zeit. 1865. — In der Regel ver- hält es sich allerdings anders, und die Pflanze nimmt aus dem reichern Boden auch mehr von einem Stoff auf. Doch berühren diese Verhältnisse nicht unmittelbar die Frage’ des Vorkommens, welche einfach so lautet: Kann eine Kalkpflanze auf einem kalk- armen Boden, kann eine Schieferpflanze auf einem kalkreichen Boden gedeihen? u. s. w. Es lässt sich noch gar nicht absehen, wie mit dieser Frage die andere: Welchen Einfluss übt der gg auf den Aschengehalt der Pflanzen? zusammenhängt.
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nur mit Unrecht geltend machen wollen, es werden hiebei geologische und chemische Unterlage verwechselt. Diess ist in der That nicht der Fall, wie aus der grossen Verbreit- ung hervorgeht, welche Kalkpflanzen zuweilen auf Schiefer- bergen und Schieferpflanzen zuweilen auf Kalkbergen finden. Ueberdem ist für einzelne Fälle die Bodenanalyse gemacht worden (Hoffmann Beilage zur bot. Zeit. 1865), und end- lich giebt es noch ein ganz unwiderlegliches Beweismittel. Es ist das Vorkommen yon sogenannten schiefersteten oder schieferholden und kalksteten oder kalkholden Pflanzen unmittelbar neben einander , sodass ihre Wurzeln die Nahr- ung aus derselben Bodenkrumme ziehen. ~
Aus den oben erwähnten Thatsachen folgt ohne Zweifel, dass die chemische Zusammensetzung des Bodens als solche (für sich allein) nicht das Vorkommen der Gewächse zu erklären vermag; und es ist unbe- greiflich, wie gegenüber den so entschiedenen faktischen Verhältnissen jene Behauptung immer noch ‘von Einzelnen festgehalten wird. — Man hat aber mit grossem Unrecht viel mehr daraus gefolgert. Man hat den Schluss gezogen, die chemische Beschaffenheit des Bodens sei für das Vor- kommen der Gewächse gleichgültig oder habe wenigstens nur eine äusserst geringe Bedeutung. Ich glaube, dass die- jenigen, welche so urtheilten, weder mit Aufmerksamkeit unsere Alpen durchwandert, noch andere der offenkundig- sten und allgemeinsten Thatsachen berücksichtigt haben. H. v. Mohl hat bei seinen Untersuchungen über den Ein- fluss des Bodens (Verm. Schriften 393) mit Recht sich auf die Alpenpflanzen beschränkt. Die Verschiedenheit zwischen der Ebene und den Hochgebirgen ist in der That ganz auf- fallend, indem hier eine viel grössere Abhängigkeit der Vegetation von der geognostischen Unterlage beobachtet wird, als dort. Die Ursachen dürften hauptsächlich die folgenden sein. In den Alpen ist das Gestein häufig mit
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einer äusserst dünnen Humusschicht bedeckt, welche durch Absorption leicht alle Bestandtheile aus demselben aufnimmt und zugleich den Wurzeln gestattet, bis zum Fels vorzudringen. In der Ebene und selbst schon in den untern und mittleren Alpen ist der Fels oder das Geschiebe oft mit einer dicken Humuslage überzogen, welche in ihren obern Schichten nicht alle Stoffe aus dem Gestein anzuziehen vermag und daher z B. auf einer kalkreichen Unterlage häufig kalkarm ist. In der Ebene ist ferner der Detritus manchmal von sehr verschiedenem Ursprung, daher von unbestimmtem Charakter und auf geringe Entfernungen wechselnd. In den Nieder- ungen endlich; was besonders wichtig ist und bis jetzt fast ganz unberücksichtigt blieb, kommt es häufig vor, dass der Boden zeitweise oder fortwährend von Wasser befeuchtet wird, das einen anderweitigen Ursprung hat, und seine Be- standtheile in der Krumme durch Absorption zurücklässt. Die Alpen zeigen nun ganz entschieden, dass die che- mische Unterlage für die Verbreitung der Gewächse ein wichtiger Factor ist. Ich spreche nicht von der verschiedenen Vegetation der Kalk- und Schieferberge im Allgemeinen. Ein sicheres Resultat können wir bloss da erlangen, wo die Localitäten in allen übrigen Beziehungen einander vollkom- men gleich sind, aber in den chemischen Eigenschaften differiren. Diess sind z. B. Kalk- und Schieferhänge von gleicher Neigung und Exposition, die mit einer dünnen Humusschicht von annähernd gleicher physikalischer Be- schaffenheit bedeckt sind; das sind ferner nackte Kalk- und Granitfelsen, die neben einander sich befinden; das sind . geologisch-verschiedene Sand- oder Schutthalden, die in einem ähnlichen Zustande der Verkleinerung sind und bei gleicher Lage in geringer Entfernung sich befinden oder auch unmittelbar an einander stossen. Man wird kaum solehe Localitäten besuchen, ohne Pflanzen zu treffen, deren Verbreitung mit einer bestimmten geognostischen Unterlage
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endigt. Wenn wir aber Gewächse beobachten, die in einer Gegend nur den Kalk bewohnen, deren Vorkommen mit dem Aufhören desselben wie abgeschnitten ist, um vielleicht 10 oder 15 Minuten weiter auf einer Kalkinsel wieder zu beginnen, wenn wir sehen, dass dieselben auf den unmittel- bar angrenzenden Urgebirgslocalitäten von gleicher physi- kalischer Beschaffenheit mangeln, während sie auf andern Kalklocalitäten mit sehr ungleichen physikalischen Eigen- schaften gut gedeihen, was können wir logischer Weise für einen andern Schluss daraus ziehen, als dass unter Um- Ständen eine grössere Menge von kohlensaurem Kalk für dieselben nicht gleichgültig ist. Der Einwurf, dass die näm- lichen Pflanzen anderwärts auf kalkarmem Boden wachsen, hat mit Rücksicht auf die vorliegende Frage gar keine Be- weiskraft; er zeigt uns bloss, dass der Schluss nur für be- stimmte Verhältnisse gilt. |
Ich habe bis jetzt nur von einem einzigen chemischen Gegensatz der Localitäten gesprochen, da die grösste und augenfälligste Differenz im Boden durch den Reichthum oder die Armuth von Kalk hervorgebracht wird. So sehen wir, dass in gewissen Gegenden und unter gewissen Umständen Rhododen- dron hirsutum, Achillea atrata, Gnaphalium Leonto- podium, Saussurea discolor, Hieracium villosum, H. glaucum, H. glabratum, Erigeron alpinus, An- drosace lactea und viele andere bloss auf kalkreichem, da- gegenRhododendron ferrugineum, Achillea moschata, Saussurea alpina, Hieracium glanduliferum, H. alpi- num, H. albidum, Erigeron uniflorus, Eritrichium nanum, Androsace carnea nebst vielen andern bloss auf kalkarmem Boden wachsen. Es ist möglich und auch sehr wahrscheinlich, dass nicht bloss. der Gegensatz von kalk- reichem und kalkarmem Boden, sondern auch andere chemische Gegensätze unter bestimmten Verhältnissen einen ähnlichen Ausschluss von gewissen Pflanzen bedingen.
165 Eine andere Thatsache von gleicher wo nicht noch stärkerer Beweiskraft bieten uns die Torfmoore. Bekannt- lich unterscheidet man im Allgemeinen Hochmoore und Wiesenmoore. Nach Sendtner’s Angabe ist das Wasser der ersteren kalkarm, das der letztern kalkreich. Die Ana- lysen beider, die er anführt, unterscheiden sich zwar nicht; aber er giebt an, dass das Wasser des Hochmoors an einem ungehörigen Ort aufgefangen wurde. Wie dem auch sein mag, so ist, worauf es gerade ankommt, der Aschen- gehalt: der beiden Torfarten verschieden, indem die Hoch- moore verhältnissmässig wenig, die Wiesenmoore viel Kalk führen. Damit stimmt überein, dass jene eine Thon-, diese eine Kalkunterlage haben. An einen physikalischen Unter- schied ist dagegen nicht zu denken, namentlich für solche Gewächse, deren Wurzeln in beständig nassem Boden sich befinden. Die Hochmoore tragen aber eine andere Vege- tation als die Wiesenmoore.
Eine dritte Thatsache von unwiderstehlicher Beweis- kraft geben uns diejenigen Wassergewächse, welche nicht im Boden wurzeln, also vorzugsweise die Zellencrypto- gamen. Bekannt ist der Unterschied in der Vegetation der Nordsee, der Ostsee, der Brackwasser und der süssen Wasser, und ebenso unzweifelhaft ist, dass unter den süssen Wassern die harten und weichen rücksichtlich der Moos- und Algenvegetation einige bemerkenswerthe Verschieden- heiten zeigen. |
Aus diesen Thatsachen ziehe ich den Schluss, dass die chemische Beschaffenheit der Unterlage, wenn sie auch das Vorkommen der Gewächse für sich allein meist nicht zu erklären vermag, doch dabei als ein mitwirkender Factor von grösserer oder geringerer Wichtigkeit immer zu be- rücksichtigen ist. In manchen Fällen, wo alle übrigen Ver- hältnisse ganz gleich sind, vermag sie selbst über das Vor-
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kommen oder Nichtrorkommen von gewissen Pflanzen in gewissen Gegenden allein zu entscheiden.
Ich bin auf die chemische Bodenfrage etwas näher ein- getreten, weil die Pflanzengeographen jetzt die Bedeutung der chemischen Differenz nach dem Vorgange von A. de Candolle bestreiten. Ueber die physikalische Frage kann ich kurz hinweggehen. Niemand hat die Bedeutung der physikalischen Bodenbeschaffenheit geläugnet, obgleich man dieselbe sehr ungleich taxirte. Von der einen Seite (z. B. von Sendtner) wurde ihr offenbar eine zu geringe Be- deutung beigelegt. Von der andern Seite (Thurmann, A. de Candolle, Hoffmann) wurde sie sichtlich über- schätzt. Wenn es unmöglich ist, das Vorkommen der Ge- wächse aus chemischen Ursachen allein zu erklären, so ist es gewiss noch weniger möglich, es aus der physikalischen . Beschaffenheit allein zu begreifen, Wenn auf einem Ge- birgsstock Achillea atrata bloss den Kalk, Achillea moschata bloss den Glimmerschiefer und Gneis bewohnt, so können wir diess aus der chemischen Verschiedenheit er- klären. Wir können es aber nicht durch die physikalische Beschaffenheit; denn wir finden, dass daselbst einerseits A. atrata, anderseits A. moschata sehr verschiedenartige Standorte bewohnen. Jede kommt auf feuchtern und auf sehr ‚trockenen Stellen, jede auf dem Humus der Waiden, im Sand der Bäche und an Felsen vor. So liesse sich eine grosse Zahl von Arten anführen, die in beschränkteren oder. weiteren Gebieten sich streng an die chemische Beschaffen- heit des Bodens halten und gegen die physikalische sich sehr indifferent zeigen.
Damit will ich natürlich nicht die Bedeutung der physikalischen Verhältnisse bestreiten. Es ist sicher, dass es für jede Pflanze z. B. gewisse Grade der F euchtigkeit und der Trockenheit des Bodens giebt, welche die absoluten Grenzen für ihr Fortkommen darstellen. Aber damit ist
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nicht gesagt, dass die Pflanze überall da gedeihen. könne, wo die Bodenfeuchtigkeit sich innerhalb dieser Grenzen be- wegt. Denn dieselben gelten nur für die günstigsten Ver- hältnisse; je ungünstiger diese sind, desto enger rücken jene Grenzen zusammen. Die aufmerksame Beachtung des Vor- kommens der ersten besten Pflanze wird von der Richtigkeit dieser Behauptung überzeugen.
Nach meiner Ansicht besteht eine - vollkommene Ana- logie zwischen chemischer und physikalischer Beschaffenheit des Bodens. Wie es für jede Pflanzenart eine zweckmässigste Mischung der Mineralstoffe giebt, so giebt es auch für jede, um mich bloss an einen Punkt zu halten, eine beste Art der Wasservertheilung im Boden. Es hängt nun mit Rücksicht auf den ersten Punkt von allen übrigen Bedingungen ab, wie weit sich der Boden von der zweckmässigsten Mischung entfernen kann, bis das Gedeihen einer Pflanze unmöglich wird; PER OH sehen wir die nämliche Art auf dem einen EEREEEN kalkstet, auf dem andern bodenvag. Eben so hängt es mit Rücksicht auf den zweiten Punkt von allen übrigen Bedingungen ab, wie weit die Erdkrumme von der besten Art der Wäplerrektheilunk abweichen kann, bis eine Pflanze daselbst nicht mehr zu wachsen vermag. Daher
finden wir, dass die nämliche Art in physikalischer Bezieh-
ung hier bodenstet, dort bodenvag ist.
- Es dürfte vielleicht auffallend erscheinen, warum die physikalische Theorie gegenüber der chemischen nach und nach immer mehr Boden gewonnen hat. Der Grund scheint mir sehr einfach. Die chemische Frage -hielt sich gleich an- fangs an den Unterschied von kalkarmen und kalkreichen Gesteinen. Der Uebergang von den einen in die andern ist
meist so plötzlich und die geologische Formation oft auf
grosse Strecken so constant, dass die Kritik ein leichtes Feld hatte. Bei der physikalischen Beschaffenheit handelt es sich immer um ein Mehr oder Weniger und es findet
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ein Wechsel auf kurze Strecken statt; ferner bewegen sich die Behauptungen in einer gewissen Unbestimmtheit, so dass die Kritik nirgends eine feste Handhabe zur Widerlegung findet. Es ist nichts schwieriger, als eine vage Vorstellung zu berichtigen. Mit dem Tage, wo die physikalische Theorie ihren Sätzen eine ebenso bestimmte und fassbare Form giebt, wie es die chemische Theorie that, hat sie gleich dieser ihre Herrschaft in der Allgemeinheit und Ausschliess- lichkeit, wie sie dieselbe jetzt noch behauptet, vernichtet.
Wir müssen daher sagen, dass wir das Vorkommen der Gewächse eben so wenig allein aus den physikalischen Differenzen der Standorte begreifen können als aus den chemischen. Es fragt sich, ob beide vereint die Aufgaben zu lösen vermögen. Ich muss auch diess bestreiten. Denn wir be- obachten, um mich an das nämliche Beispiel zu halten, auf einem Gebirgsstock, der aus Kalk und Urgebirge besteht, Achillea moschata auf mehreren physikalisch verschiedenen Standorten des Urgebirgs, nicht aber des Kalkes, A. atrata dagegen auf eben so vielen ähnlichen Standorten des Kalks, nicht aber des Urgebirgs; es bewohnt ferner auf einem zweiten Gebirgs- stocke A. moschata die gleichen Löcalitäten auf Kalk, und auf einem dritten Gebirgsstocke A. atrata die gleichen Localitäten auf Schiefer. Nehmen wir statt dieser bestimmten Beobachtung einen allgemeinen Fall, der sich auf viele Bei- spiele anwenden lässt. Am ersten Orte (I) wächst die Pflanze A unter anderm auch auf Urgebirge (LU); am zweiten Orte kommt B unter anderm auch auf Kalk vor (IIK); am dritten Orte bewohnt A ausschliesslich den Kalk (IIIK) und zwar physikalisch gleiche Localitäten wie IIK, B dagegen ausschliesslich das Urgebirge (III U) und zwar physikalisch gleiche Standorte wie IU. Die identischen Standorte IU und IU werden hier von der Pflanze A, dort von B, die identischen Standorte IIK und IIIK hier von A, dort von B bevölkert. Zur Erklärung dieser Wider-
RE GERA NOS aan.
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sprüche reichen offenbar die combinirten chemischen und physikalischen Eigenschaften des Bodens nicht aus. Wir müssen also kurzweg sagen, dass die Bodenfrage allein noch nichts entscheidet. |
Es sind noch zwei Momente, welche bis jetzt in der Diskussion nicht die hinreichende Berücksichtigung erfahren haben, die auf die Vertheilung der Gewächse einen grossen Einfluss ausüben. Das eine liegt in den mitbewerbenden Pflanzen, welche die gleiche Gegend bewohnen und einander den Raum streitig machen. Das andere besteht in dem Wanderungsstadium, in dem sich eine Art oder Race be- findet, Das erste erklärt uns, warum eine Pflanze von einem gewissen Standorte mit bestimmten physikalischen und chemischen Eigenschaften, welche ihr einige Stunden weiter das Wachsthum gestatten, ausgeschlossen bleibt, ob- gleich ihre Samen fortwährend dahin getragen werden. Das zweite zeigt uns, warum eine Pflanze auf einem Standorte, der mit einer bestimmten physikalischen und chemischen Eigenschaft begabt und mit einer bestimmten Vegetation bedeckt ist, nicht getroffen wird, obgleich diese Verhältnisse die günstigsten sind, die man sich denken kann.
Was den ersten Punkt betrifft, so wurde zwar. schon lange von den Pflanzengeographen gezeigt, dass das Vor- kommen oder Nichtvorkommen der Gewiichse an bestimm- ten Orten wesentlich witbedingt wird durch den Kampf, den alle Pflanzen gegen einander führen, und dass es schliesslich nur darauf ankommt, ob eine die andern zu verdrängen, oder den Angriffen derjenigen, die sie verdrän- gen wollen, zu widerstehen vermag. Ebenso hat Darwin von dem Kampfe um das Dasein das Bestehen oder den Untergang der beginnenden Racen abgeleitet. Aber zur Er- klärung der eigenthümlichen Vertheilung der Pflanzenarten wurde das Princip bisher nicht angewendet.
Der Vernichtungskrieg ist selbstverständlich am heftigsten
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zwischen den Arten und Racen nächster Verwandtschaft, weil dieselben auf die gleichen Existenzbedingungen ange- = wiesen sind. Achillea moschata verdrängt A. atrata oder wird von ihr verdrängt; man findet sie selten neben einander. Dagegen wächst die eine und die andere mit A. Millefolium zusammen. Offenbar machen A. mo- schata und atrata, wie sie einander auch äusserlich höchst ähnlich sind, analoge Ansprüche an die Aussenwelt. A. Mille- folium dagegen, welche beiden ferner steht, concurrirt nicht eigentlich mit ihnen, weil sie auf andere Existenz- bedingungen angewiesen ist. Noch weniger concurriren die Pflanzen anderer Gattungen und Ordnungen. |
Wir machen daher die Beobachtung, dass die nächst- verwandten Arten oder die Racen einer Art sich am leichte- sten ausschliessen, und diess ist oft der Grund, warum eine Pflanze ausser den ihr am meisten zusagenden Localitäten hier auch gewisse andere Standorte bewohnt, weil sie allein ist, dort die gleichen Standorte nicht zu bewohnen vermag, weil dieselben mit der concurrirenden verwandten Form be- völkert sind. Diess ist häufig auf Localitäten von ungleicher chemischer Beschaffenheit der Fall.
Ich habe schon wiederholt von den Achillea- Arten gesprochen, und will mich, der Einfachheit halber, wieder an dieses Beispiel halten. Im Bernina-Heuthal (im Ober- engadin) kommen A. moschata, A. atrata und A. Mille- folium in Menge vor; A. moschata und A. Millefolium auf Schiefer, A. atrata und A. Millefolium auf Kalk. Wo der Schiefer mit Kalk wechselt, da hört auch immer A. moschata auf und A. atrata beginnt. Es sind also hier die beiden Arten streng bodenstet; und so habe ich es an verschiedenen Orten in Bündten beobachtet, wo sie beide vorkommen. Mangelt aber eine Art, so ist die andere bodenvag. A. atrata bewohnt dann ohne Unterschied Kalk: und Schiefer; und ebenso findet man A, moschata, ob-
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gleich dieselbe, wie es scheint, nicht so leicht auf den Kalk, wie jene auf den Schiefer geht, doch neben dem Urgebirge auch auf ausgesprochener Kalkformation mit der dieser eigenthümlichen Vegetation. Im Bernina-Heuthal traf ich mitten auf dem Schiefer, der mit A. moschata be- völkert war, einen grossen herabgestürzten Kalkblock, kaum mit zolldicker Bodenkrumme bedeckt. Auf demselben hatte sich eine Kolonie von A. moschata angesiedelt, weil hier die Concurrenz der A. atrata ausgeschlossen war.
Ein ähnliches Ausschliessungsverhältniss wird in ge- wissen Gegenden zwischen Rhododendron hirsutum und Rh. ferugineum, Saussurea alpina und S. discolor, ferner zwischen Arten der Gattungen Gentiana, Veronica, Eri- geron, Hieracium u. a. beobachtet. Diese Thatsache, die oft sehr charakteristisch in die Erscheinung tritt, hat zum Theil Veranlassung zur Annahme der sogenannten Parallelformen gegeben. Aber die Theorie, die man mit denselben ver- bunden hat, war entschieden unrichtig. Ich werde am Schlusse noch einmal hierauf zuriickkommen. .
Doch bin ich durchaus nicht der Ansicht, dass nur Pflanzen von nächster Verwandtschaft einander verdrängen. Ich habe dieses Factum nur vorangestellt, weil es sich theoretisch am natürlichsten erklärt, und weil es der Beob- achtung am meisten auffällt. Es unterliegt wohl keinem Zweifel, dass auch Pflanzen, die systematisch weit von ein- ander entfernt sind, sich rücksichtlich der äussern Verhält- nisse, von denen ihre Existenz abhängt, analog verhalten und daher einen hartnäckigen Kampf auf Leben und Tod bestehen. Es kann eine einzige Pflanze, es kann auch ein Verein von mehreren Gewächsen sein, welche eine bestimmte ‘Art auszuschliessen vermögen. a
Noch muss ich eine Bemerkung über das Verdrängt- werden von Pflanzenformen beifügen. Offenbar finden sich manche Botaniker mit dem neuen Begriff des Kampfes um
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das Dasein nicht zurecht, wie das Bestreiten desselben und bestimmte Einwürfe dagegen beweisen. Ich will den Ein- wurf, der am plausibelsten erscheint, näher beleuchten. Wenn zwei Formen A und B sich ausschliessen, so dass die eine auf dem einen, die andere auf dem andern Stand- orte allein vorkommt, wie ich es für die beiden Achillea- Arten gezeigt habe, so wird etwa eingewendet, wie denn von einem Kampfe um das Dasein die Rede sein könne, so lange noch auf dem einen und andern Standorte viel überflüssiger Raum für die mangelnde Art vorhanden sei. Offenbar stellt man sich den Kampf um das Dasein, in welchem sich die Pflanzen verdrängen sollen, wie ein Ge- raufe dar, wo der Verdrängte immer noch neben dem Platz, von dem er weggeschoben wurde, sich behauptet. So naiv ist es nicht gemeint.
Um ein Beispiel zu erörtern, will ich mich wieder an die beiden Achilleen halten. Auf einem Schieferabhang steht eine Million von Stöcken der Achillea moschata.
Sie nimmt selbstverständlich nicht allen Raum ein; denn es hätten hundert Millionen und mehr daselbst Platz. Der
übrige Raum wird von andern Gewächsen occupirt. Es ist . dies ein Gleichgewichtszustand, der sich mit Rücksicht auf die Bodenbeschaffenheit und die vorausgehenden klimatischen Einflüsse gebildet hat. Die Zahl von einer Million giebt uns also das Verhältniss, in welchem sich Achillea mo- schata gegenüber der andern Vegetation zu behaupten ver- mag; und es ist ein ganz ungereimter Einwurf, wenn man sagt, es wäre ja noch viel Raum für A. atrata da. Wenn derselbe den Achilleen überhaupt zugänglich wäre, so würde er von der vorhandenen und jedenfalls bevorzugten A, moschata eingenommen.
Denken wir uns nun den Fall, es befänden sich einmal auf dem genannten Schieferhang, vielleicht in Folge künst- licher Anpflanzung, Achillea moschata und A. atrata
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gemengt, jede. in. der halben Individuenzahl, nämlich von 500,000. Von den beiden Arten gedeiht A. moschata hier als auf der kalkarmen Unterlage besser als A. atrata; letztere ist schwächlicher, ihre ‚Gewebe sind weniger aus- | gereift; sie, vermag in Folge dessen den äussern schädlichen Einflüssen weniger zu widerstehen, wie den Sommerfrösten oder langandauerndem Regenwetter.oder anhaltender Trocken- heit u. s. w.. Nehmen wir beispielsweise an, es trete alle 20 bis 50 Jahre ein heftiger! Frost zur Blüthezeit ein, welcher. die Hälfte der Pflanzen von A. atrata. tödtet, während demselben die stärkere A. moschata- widersteht. Die Lücken werden durch Besamung wieder ausgefüllt; es gehen aber mehr A. moschata auf als A. atrata, schon desswegen, weil jene nach dem Frost in der Zahl von 500,000, diese. bloss von 250,000 Individuen vorhanden ist. Es sind also in der Folge unter der Million Achilleen, die an dem ganzen Hange vorkommen, A. moschata vielleicht mit 670,000, A. atrata mit 330,000 Individuen vertreten. Nach einem zweiten Froste, welcher, wieder die Hälfte von A. atrata vernichtet, kommen schon nahezu 800,000 Exem- plare von A. moschata auf 200,000 von A. atrata. So nimmt mit jedem aussergewöhnlichen Sommerfroste die Zahl der letztern ab, bis sie endlich ganz von dem Standorte ver- schwunden ist, auf welchem eine ‚verwandte stärkere Art auf ihre Unkosten sich ausgebreitet hat.
Statt des Frostes kann irgend eine andere schädliche Ursache wirken; sie wird immer die schwächere Art schwerer treffen, als die. stärkere und jene zuletzt zum Aussterben bringen.‘ Wenn auch die beiden Pflanzen bloss durch un- gleiche Fruchtbarkeit verschieden sind, so muss der Erfolg der nämliche bleiben. Auf einer Localität, die eine Million — Pflanzenstöcken trägt, geht jährlich eine grössere oder kleinere Zahl der ältesten und gebrechlichsten zu Grunde.
Wenn nun von’ den zwei genannten Pflanzen auf der be- 7. 14
174
ee
stimmten Localität A. atrata bloss weniger fruchtbar ist als A. moschata, so wird der jährliche Verlust, den beide erleiden, nicht gleichmässig, sondern jedesmal durch eine grössere Zahl von A. moschata ersetzt. Es muss also die Gesammtmenge der Stöcke von A. atrata von Jahr zu Jahr, ‘wenn auch nur um wenig, abnehmen und zuletzt (vielleicht erst nach vielen Jahrhunderten) Null werden.
Was mit Achillea atrata auf kalkarmem Boden, muss mit A. moschata auf kalkreichem Boden geschehen, wo diese Art als die schwächere sich erweist. In Concurrenz mit A. atrata unterliegt sie und verschwindet,
Daher beobachten wir, wo Kalk und Schiefer an ein- einander stossen, eine scharfe Grenze zwischen der Ver- breitung der beiden Pflanzen. Man wird vielleicht noch einwenden, dass fortwährend Samen von der einen Art auf den Standort der andern fallen und daselbst aufgehen "müssen; und dass desswegen eine neue Vermengung, die sich jährlich wiederhole, unausweichlich sei. Diess ist aber unmöglich, da die beiden Standorte mit den entsprechenden Achillea-Arten und mit vielen andern Pflanzen vollständig besetzt sind. Wenn z. B. auf dem Schiefer eine Million von Stöcken der A. moschata stehen, so werden davon Jährlich im Durchschnitt wohl nicht unter- 10 Millionen Samen ausgestreut, von denen vielleicht nicht der 1000ste Theil keimt. Wenn nun von Achillea moschata auf ihrem eigenen Standorte 999100 Millionen Samen jährlich zu Grunde gehen, so werden wir uns nicht verwundern, dass die 100,000° ‘Samen der fremden A. atrata ebenfalls ‘zu Grunde gehen. Ausnahmsweise kann einmal ein fremder Same keimen, und. ausnahmsweise finden wir auch einen ‘oder wenige Stöcke von A. moschata auf dem Standorte von A. atrata und umgekehrt. Aber diese ‚äusserst ‘selten.
‘So kommt es, dass in Gegenden wo Achillea atrata
Ausnahmen gind
| te ae
und A. moschata wachsen, die eine .das kalkarme Urge- birge, die andere den Kalk bewohnt. Wenn aber. das Ge- — stein in chemischer Beziehung eine Mittelstufe zwischen beiden darstellt, wenn es z. B. ein kalkreicher Schiefer ist, wie er in Bündten vorkommt, so können beide Arten sich neben einander behaupten, weil sie hier von gleicher Stärke sind. :Anderseits finden wir, wie schon erwähnt, A. mo- schata, wenn sie allein in einer Gegend vorkommt, ‚auch auf dem Kalk, und A. atrata besiedelt, wenn die Mitbe- werberin mangelt, das kalkarme Urgebirge. Die beiden Arten | können in diesem Falle, obgleich die äussern Verhältnisse ihnen weniger zuträglich sind, nicht ‚verschwinden , weil sie ohne Concurrenz sind. Es sei z. B. A. atrata allein über einen (ihr weniger zusagenden) Schieferhang verbreitet, und es trete, wie ich früher angenommen habe, alle20—50 Jahre ein ‚ausserordentlicher Frost ein, welcher die Hälfte der Individuen tödtet.. Der Verlust muss durch -Besamung von der andern Hälfte nach und nach. wieder ‘ersetzt werden. Es kann daher die Individuenzahl nicht für die Dauer ab- nehmen. _A. atrata allein auf einem kalkarmen Standorte verhält sich wie jede andere ‚Pflanze; sie erlangt. eine ge- wisse Individuenzahl, welche ab- und zunimmt, aber trotz ‚der Schwankungen immer wieder sich einer mittleren Zahl nähert. i | Man könnte ‚aus der eben gemachten Deduction viel- leicht den Schluss ziehen wollen, dass ein solches Resultat immer ‚eintreten und von zwei Pflanzen die eine verdrängt werden müsse, weil beide kaum je von gänz gleicher Stärke seien. Diess wire’ jedoch unrichtig; denn es gilt nur für Pflanzen von möglichst gleichen Existenzbedingungen. Wir können uns einen anderen Fall denken, wo die beiden Arten durch ganz ungleiche äussere Einflüsse (z. B. die eine durch Frühlingsfröste, die andere durch trockene Hitze) leiden, so
dass bald die Individuenzahl der einen, bald die der andern 14*
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sich vermindert, wo ferner der Samen ‘durch ungleich wird, so dass bald die ein vermehrt und die leergew
die Samenbildung und das Keimen € äussere Einwirkungen gefördert e, bald die andere sich besonders
ordenen Stellen ausfüllt. Hier muss das numerische Verhältniss der beiden Arten ein schwanken-
des sein; aber 'keine vermag die andere zu verdrängen. Je nach Umständen sind sje einander im Mittel an Individuen-
zahl gleich, oder wenn die Gesammtwirkung der äussern Umstände günstiger für die eine ausf entsprechendes Uebergewicht,
Ich habe das Ausschliessungsvermögen zweier ver mehrerer Pflanzen bis jetzt bloss für eine bestimmte chemische Constitution des Bodens nachgewiesen. Das Nämliche gilt von der physikalischen Beschaffenheit. Es ist möglich, dass eine Pflanze unter gewissen Umständen sich auf einem Bo- den von bestimmten Feuchtigkeitsgehalt behauptet, unter andern Umständen nicht. Diess ist mit Prim ula offi-
of ae n n A n cinalis und P. elatior der Fall. Wenn beide zusamme vorkommen ,
einander ab, tior die feu Standorte die stärkere und ver gen. Ist aber nur eine Art vo nicht so wählerisch, P,
‘tere, P. elatior fiir bewohnen, als
allt, so erlangt sie ein
£ n j = s on so schliessen sie sich zuweilen sehr genau i d ape . . a- indem P. officinalis die trockenern, P. e
. ihrem chtern Stellen bewohnt. Jede ist auf ihre
mag die andere zu 'verdrän- rhanden, so zeigt sie sich officinalis vermag fiir sich feuch- sich allein trockenere Localitäten zu wenn sie in Gesellschaft sind.
gleicher Weise Schliessen sich verschiedene
n aus, z B. Prunnella vulgaris und P. grandiflora,
177
schwach berieselt ist, so trifft man sicher auf den. beriesel- ten Stellen P. vulgaris, “auf den unbewässerten P. grandi- flora. Ich habe einige trockene Waiden beobachtet, wo neben P. grandiflora. strichweise P. vulgaris vorkam; die genauere Beobachtung ergab, ‚dass diese Striche zeit- weise von Wasser überrieselt werden.
Die Rhinanthus-Arten zeigen ein ähnliches Verhalten... Findet sich nur ‚eine derselben in einer Gegend, so geht sie auf verschiedene Standorte. Treten zwei oder drei Arten zusammen auf, so schliessen sie sich meist ziemlich strenge aus. Rhinanthus Alectorolophus ‚bewohnt. auf der "Münchner Hochebene Brachfelder und fettere Stellen. auf | Waiden, Rh. minor die angrenzenden magern Waiden. Ist der letztere allein, so "kommt er auch auf Brachfeldern und fetten Waiden vor. Auf den Alpenwaiden scheiden sich in gleicher Weise Rh. Alectorolophus und Rh. alpinus aus, Man trifft auch neben einander Rh. minor auf Waiden, Rh. alpinus im Geröll, Rh. Alectorolophus im Gebüsch. Im Walde können. alle drei Arten mit einander wechseln; Rh. alpinus bewohut dann die lichten, steinigen und zu- gleich trockenen Stellen, Rh. minor die mehr feuchten und schattigen, magern Stellen, und Rh. Alectorolophus steht überall, wo sich eine üppige Vegetation befindet. Im Oberengadin, wo diese Pflanzen in Menge vorkommen, fand ich sie meist: strenge geschieden. _ Ausnahmsweise waren zwei Arten auf der Uebergangslocalität unter einander gemengt,
Hieracium Pilosella und H. Hoppeanum kommen zuweilen durcheinander vor. Häufiger schliessen sie sich mehr oder weniger genau aus. H. Pilosella bedeckt dann die magern Waiden und die sandigen: oder felsigen rasen- losen Stellen, während H.: Hoppeanum fette Localititen mit hohem Rasen vorzieht. Ist nur eine Form da, so be-
°
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siedelt sie auch die Standorte, yon denen sie anderswo durch die Mitbewerberin verdrängt‘ wird.
Die physikalische Beschaffenheit des Bodens ist also ebenso sehr geeignet, eine gegenseitige Ausschliessung der Varietäten und Arten zu veranlassen Nur ist es viel schwieriger, hier die mi anzugeben.
Ein anderes Moment, welches auf das Vorkommen der Pflanzen Einfluss hat, ist das Wanderungsstadium , in wel- chem’ sie sich befinden. Man nimmt gewöhnlich a die Arten und Racen vo Stellen ausgegangen ausgebreitet haben. ne Zweifel wahrschein- lich, aber beweisen lässt es sich nicht. Dagegen ist sicher, dass die Erdoberfläche seit der Tertiärzeit verschiedene Umgestaltungen erfahren hat, welche eine Aenderung der klimatischen Verhältnisse und in F olge davon eine Hin- und Herwanderung der Gewächse nach sich zogen. Diese Wanderung dürfte für die Mehrzahl der Arten,‘ namentlich für die mit leicht transportab Ganzen längst aufgehört habe langsam verbreiten, dauert sie möglicherweise noch fort. Das Vorkommen einer Pflanze an einem bestimmten Orte wird also nicht bloss dadurch bestimmt, ob sie hier die nöthigen äussern Bedingungen finde und sich gegen alle Mitbewerber zu behaupten im Stande sei, sondern yor Allem aus dadurch, ob sie überhaupt dahin gelangt sei. Wenn wir in einer Gegend eine Art, die wir daselbst ver- muthen, nicht finden, so ist es einerseits möglich, dass sie durch irgend einen hemmenden Einfluss ausgeschlossen wird, andererseits, dass sie auf ihrer Wanderung die Gegend nicht erreicht hat, wäs aber durch irgend einen Zufall heute. oder morgen geschehen könnte, oder auch, dass sie einmal
wie die chemische. twirkenden Umstände
n,
eln Samen im Grossen und n; für andere, die sich sehr
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da war, aus irgend einer Ursache ausgieng und nicht wieder hingelangte. |
Dieser Grund des Nichtvorkommens einer Pflanze, weil sie nämlich auf ihrer Wanderung den bestimmten Ort nicht oder nicht wieder erreicht hat, scheint viel häufiger. vor- handen zu sein, als man vielleicht annimmt. Er erklärt uns, warum gewisse Arten in ganzen Gegenden, oder in einzelnen Thälern und auf einzelnen Gebirgsstöcken mangeln, während alle Bedingungen für ihr Gedeihen gegeben scheinen. Das Studium dieser Verhältnisse würde obne /weifel zu interessanten Resultaten führen. Dafür müsste man aber den Verbreitungsbezirk der zu erforschenden Art oder Race in seinem äussern Umriss und in seiner innern Configura- tion viel genauer kennen, als es jetzt der Fall ist.. Der genannte Umstand giebt uns für manche auffallende That- sache eine überzeugende Erklärung. Warum wächst Achillea atrata hier auf Urgebirge, obgleich sie in, einer andern Gegend kalkstet ist? Warum wächst die sonst urgebirgstete A. moschata dort auf Schiefer? Beides, weil die ver- drängende verwandte Art an dem betreffenden Orte man- gelt; und der gewöhnliche Grund dafür ‘ist ohne Zweifel der, dass dieselbe auf ihrer Verbreitungswanderung nicht dorthin gelangte. Wenn wir genaue Karten über die Verbreitung der beiden Arten hätten, so würde uns diess einleuchtend entgegen treten.
An den Isarabhängen bei Grosshessellohe (unweit Mün- chen) wachsen neben Hieracium murorum und H. vul- gatum zwei ausgezeichnete verwandte Formen, H. sub- caesium und H. Sendtneri?). Die vier Formen schliessen einander hier nicht aus, obgleich jede bestimmten Modificationen der Localität den Vorzug gibt. Wenn man sich nach rechts
2) Vgl. die Notiz in der Mittheilung vom 18. November.
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oder links von der Isar entfernt und wieder ganz analoge Loealitäten antrifft, so findet man immer nur H und H. vulgatum. H. Sendtneri und H. subeaesium entfernen sich nicht von den Isarabhingen, Die letztern beiden Formen kommen eigentlich im Gebirge vor und wurden ohne Zweifel yon der Isar herunter geführt. Sie konnten sich nicht von dem Flussgebiete entfernen, weil beiderseits Wälder und Felder (früher bloss Wälder) folgen. Da sie beide nicht in Wäldern vorkommen (indem sie hier von H. murorum und H. vulgatum verdrängt werden), so konnten sie nicht bis zu den ihnen 'zusagenden, aber stundenweit entfernten Localitäten gelangen.
Ein interessantes Beispiel für die verschiedenen Ur- sachen, welche auf die Verbreitung der Pflanzen Einfluss haben, bieten uns die beiden Alpenrosen , Rhododendron hirsutum und Rh. ferrugineum. Von Unger wird für die Flora von. Kitzbühel Rh. hirsutum als kalkstet, Rh. ferrugineum als schieferstet angegeben. Mohl nennt sie kalkhold und urgebirgshold. Letztere Bezeichnung drückt das Vorkommen im Allgemeinen, erstere in einzelnen Ge- genden aus?) An einigen Orten Graubündtens z. B. in den Alpen von Parpan sah ich beide Arten in Menge, Rh. hir- sutum ausschliesslich auf Kalk, Rh. ferrugineum ebenso ` auf Schiefer, Auf der Grenze zwischen beiden Formationen berührten sich die zwei Arten und dort fand schmalen Strecke, gemengt unter dies Rh. intermedium. Auf der rothen Wand bei Schliersee in Oberbayern wachsen Rhododendron hirsutum: und Rh. ferrugineum durcheinander auf Kalk. Eine genauere Beobachtung zeigt aber, dass sie sich auch da nach der
. murorum,
sich auf einer elben, die Mittelform
3) Unrichtiger Weise heisst es in Moritz von Rh hirsutum, das fast ausschliesslich es komme „bloss auf dem Schiefergebirge vor.
i’s Flora der Schweiz dem Kalk angehört,
181
Unterlage ausschliessen. Rh. “hirsutum kommt auf dem mit dünner Humusschichte bedeckten Kalkgesteine vor, ebenso bewohnt es die herabgestürzten Kalkblöcke. Zwischen diesen Blöcken aber steht Rh. ferrugineum überall, wo sich eine dicke Humusschichte gebildet hat, so dass seine Wurzeln in einem kalkarmen Boden sich befinden. Ebenso kommt Rh. ferrugineum da, vor, wo eine Lehmschichte den Kalk überlagert. | =~- -Mit Rücksicht auf solche Vorkommensverhältnisse muss man beide Arten als bodenstet bezeichnen; sie scheiden sich nach der kalkhaltigen und kalkarmen ya lage. K erner hat sogar, auf ähnliche Beobachtungen sich stützend, die Ueberzeugung ausgesprochen, dass Rh. hirsutum pi dem kalkreichen Boden, Rh. ferrugineum die dem kalkarmen Boden entsprechende Form einer und derselben Art (Rh. germanicum) sei; dass Rh. ferrugineum, auf eine kalk- arme Unterlage gebracht, zuerst in Rh. intermedium und
dann in Rh. ferrugineum übergehe. Diess ist jedoch nicht der richtige Ausdruck für die Thatsache, welche uns die Verbreitung der beiden Alpenrosen zeigt®). >
In allen Gegenden, wo von beiden Rhododendron- Arten nur die, eine vorkommt, bewohnt sie ebenso wohl die kalkreichen als die kalkarmen Localitäten. Im Rheinwald-
thal (Ct. Graubündten) fand ich bloss Rh. ferrugineum; stellenweise wächst es daselbst. auf Kalk, so am Splügenpass und am „Kalkberg‘ über dem Dorfe Splügen 5). Am Gott- hard sah ich gleichfalls bloss Rh. ferrugineum und zwar
4) So weit meine Erfahrungen gehen, kann ich auch für die übrigen, sogenannten Parallelformen die allgemeine Gültigkeit der zu Grunde gelegten Thatsachen nicht zugeben. Diese Parallelformen sind nur für gewisse Gegenden bodenstet, für andere aber sind sie es nicht. 5 er
5) Nach Gaudin kommt am Splügen auch Rh. hirsutum vor.
182 5 ‘ebenfalls an einem Orte auf Kalk®). Das Joch über Engel- berg und die Engstlenalp (am Titlis), ferner die Blackenalp im Surenenthal, ebenso die Kurfirsten über Wallenstad, welche Gegenden alle der Kaikformation angehören, zeigten mir nur Rh. ferrugineum und zwar in grossen Massen ?), ` Der Schweizerjura hat ebenfalls nur diese Art. An allen genannten Stellen wächst Rh. ferrugineum nicht etwa bloss auf tiefen Humus- oder auf Lehmlagen, die den Kalk be- decken, sondern auch auf Kalkfelsen, die mit einer sehr dünnen Humusschichte überzogen sind, stellenweise auf fast nacktem Gestein. Nach mündlichen Mittheilungen von Hin. Prof. Theobald in Chur findet sich Rh. ferrugineum auf dem Calanda bei Chur in beträchtlicher Höhe auf fast nacktem Kalk. | a | ‚Die Verbreitung der beiden Alpenrosen wird also im Grossen und Ganzen nicht durch die kalkarmen und kalk- reichen geologischen Formationen bedingt. Sie erweisen sich auf dem grössten Theil ihres Verbreitungsbezirkes als boden- vag. Wo sie aber in beträchtlicher Menge neben einander kotrot werden sie bodenstet, indem sie Sich gegenseitig ausschliessen. Diese Ausschliessung ist, da es strauchartige langdauernde Pflanzen sind, nicht so strenge wie bei kraut- artigen Gewächsen; ‘sie ist ferner um so weniger genau durchgeführt, je spärlicher und zerstreuter die Stöcke stehen. So kommen an den Kurfirsten oberhalb (uinten die beiden Arten, welche hier in geringerer Individuenzahl auftreten durch einander vor und der nämliche Kalkblock trägt dewellon auf der einen Seite Rh. ferrugineum, auf der andern Rh., hirsutum. |
+
6) Auch 'hier giebt Gaudin Rh. hirsutum an.
7) Auf der Trübseealp- über Engelberg bemerkte ich auch Rh. intermedium, was auf die Nähe von Rh. hirsutum hinweisen könnte.
183
Heer hat die vorgeschobenen Kolonien von Alpen- pflanzen auf den Hügelkuppen und in den Torfmooren der ebeneren Schweiz’ von der Eiszeit hergeleitet und als zurück- gelassene Posten der vorgedrungenen Gletscher erklärt. Rh. ferrugineum wurde nach demselben von dem Rhone- gletscher aus dem Wallis auf den Jura, Rh. hirsutum von dem Linthgletscher auf die Berge an der östlichen Grenze des Cantons Zürich (Hohe Rhonen und obere Téss- thäler) gebracht. In gleicher Weise dürfen wir wohl das Vorkommen von Rh. ferrugineum am Langensee und am Comersee von dem Langenseegletscher und dem Veltliner- gletscher herleiten. Auf einer Tour über die Terrassen der Kurfirsten sah ich oberhalb Wallenstad bloss Rh. ferru- gineum; weiter nach Westen auf einer Ausdehnung von etwa einer halben Stunde Rh. ferrugineum mit Rh. hirsutum und noch weiter westlich bloss Rh. hirsutum. Ich weiss nicht, ob diese Beobachtung auf einer einzigen Excursion die wirkliche Verbreitung ausdrückt, ob Rh. hirsutum den westlichen, Rh. ferrugineum den öst- lichen Theil der Kurfirsten bewohnt. Wie dem auch sei, das Vorkommen der beiden Arten auf diesem Gebirgsstocke kann vielleicht aus dem Zusammentreffen der beiden Eis- zeitgletscher, Linth- und Rheingletscher erklärt werden. Der erstere hatte Rh. hirsutum, der zweite Rh. ferrugineum herbeigeführt, insofern wir die ursprünglichen Verbreitungs- centren in die innern Alpen verlegen.
Im Allgemeinen werden die Centralalpen und der Süd- abhang von Rhododendron ferrugineum, die nördlichen Alpen von Rh. hirsutum bewohnt. Aber diese Verbreit- ungsareale sind vielfach durch die andere Art durchbrochen. Eine genaue Aufnahme der geographischen Vertheilung der beiden Alpenrosen, welche sich offenbar sehr langsam aus- breiten, dürfte für die Erkenntniss der Verbreitungsursachen
184
if
von grösstem Interesse sein und vielleicht Rückschlüsse auf die grossen Naturerscheinungen der diluvialen Zeit erlauben.
Ich fasse zum Schlusse noch das Resultat über das Vorkommen der Gewächse zusammen. Innerhalb der Region, welche einer Form durch die klimatischen Verhältnisse im Allgemeinen angewiesen ist, wird die Verbreitung bedingt
1) durch die besondere Modification dieser klimatischen Einflüsse, durch die physikalischen und chemischen Boden- verhältnisse,
2) durch die übrigen Gewächse, welche mit ihr con- curriren, sowie auch durch die Thiere und den Menschen, welche fördernd und nachtheilig einwirken, .
3) durch das Stadium der Wanderung, in welcher sich die Pflanzenform befindet.
Die Pflanzengeographie muss alle diese Momente com- binirt in Rechnung bringen, um die Ausbreitung einer Art zu verstehen. Bisher hat man einen andern Weg verfoigt. Man untersuchte nur ein Moment für sich und beschränkte sich dabei fast ausschliesslich auf die chemischen und physi- kalischen Bodenverhältnisse. Man glaubte, dass in ihnen die Lösung der Räthsel enthalten sei und stritt sich darum, ob die einen oder andern den Ausschlag gäben. Man be- gann mit der Betrachtung eines beschränkten Gebietes, und dehnte sie dann immer weiter aus.' H.. v: Mohl- und be- sonders A. de Candolle stellten als Grundsatz auf, dass man nur bei Berücksichtigung des grösstmöglichen Areals ein sicheres Ergebniss bekomme. Diese Forderung war gewiss gegründet, wenn es sich um die Beantwortung der Frage handelte: Giebt es Pilanzenarten, deren Vorkommen mit den Bodenverhältnissen parallel geht?
Die Methode yon Mohl und de Candolle hatte ihre Berechtigung für: einen bestimmten Zweck. Aber sie wird entschieden unrichtig, wenn wir die F rage allgemeiner stellen: ob.und welchen Einfluss die Bodenbeschaffenheit auf das
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Vorkommen der Pflanze habe? Wir müssen dann wieder zu der Erforschung des ganz beschränkten Gebietes zurück- kehren, dasselbe mit all seinen eigenthümlichen Verhältnissen als ein Ganzes auffassen und wir dürfen es nur mit einem andern speziellen Gebiet, das ebenfalls in allen seinen Einzel- heiten erforscht ist, vergleichen. Bloss auf diesem Wege wird es möglich sein, die Wirkung jedes einzelnen Factors und somit auch diejenige der Bodenbeschaffenheit zu be- stimmen.
Wir finden, dass in einer Gegend eine Pflanze mit Rücksicht auf die chemischen Verhältnisse bodenstet ist, in einer andern bodenvag.: Nach bisheriger Behandlungs- weise wurde sie dann als bodenhold bezeichnet. Diess giebt uns aber keinen richtigen Begriff von dem Verhalten- derselben. Statt dass wir sie bodenhold nennen, müssen wir vielmehr erforschen, unter welchen Bedingungen - -sie bodenstet, unter welchen bodenvag ist. — Es ist selbst möglich, dass eine Art in einer Gegend kalkstet, in einer andern urgebirgstet ist. Es seien nämlich drei verwandte Arten A, B, C so constituirt, dass A sehr kalkscheu, C sehr kalkliebend, B ziemlich indifferent gegen Kalk ist. In einer Gegend komme A und B, in einer andern B und C gemein- ` sam vor. In ersterer wird A urgebirgstet, B kalkstet auf- treten, in letzterer wird dagegen B urgebirgstet und C kalk- stet sein. Wenn wir aber, statt diese Verhältnisse aus einander zu halten, B allgemein nach der bisherigen Be- handlungsweise als bodenvag aufführen, so erhalten wir einen
- sehr mangelhaften oder selbst einen sehr unrichtigen Begriff von dem wirklichen Verhalten.
Die Thatsache, ob eine Pflanzenart mit Rücksicht auf ihr ganzes Vorkommen in chemischer Beziehung bodenstet, bodenhold oder bodenvag sei, ist im Grunde ziemlich gleich- gültig, da diess offenbar von allen mitwirkenden Factoren bedingt wird, und da es vom Zufall abhängt, wie die letztern
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combinirt sind. Es ist sogar denkbar , dass jede Pflanze irgendwo bodenstet ‚auftritt, denn keine wird ganz gleich- gültig gegen die chemische Bodenbeschaffenheit sein; es wird ein bestimmtes Mengenverhiltniss der Mineralsalze geben, welches ihr am besten, ein anderes, das ihr am wenigsten convenirt. Halten wir uns, wie bisher, bloss an kalkarme und kalkreiche Standorte, so mag es geschehen, dass jede Pflanze unter gewissen Verhältnissen, alles Uebrige gleich- gesetzt, sich auf dem einen gegen die Mitbewerber zu be- haupten vermag, auf dem andern nicht.
Bodenstetigkeit und Bodenvagheit sind überhaupt Zu-
stände, aus denen wir keinen ‚Schluss auf die Natur einer Pflanze ziehen dürfen, weil sie nicht von dieser Natur be-
dingt werden. Achillea atrata und A. moschata leben theilweise getrennt und sind dann bodenvag , theilweise bei- sind dann bodenstet, somit im ganzen boden- hold. Hätten die Verbreitungsursachen sie überall zusam-
sammen und
mengeführt, so würden wir sie nur als bodenstet kennen. Wären sie überall allein, so würden sie uns als bo denvag entgegentreten.
Wie mit der chemischen , so verhält es sich auch mit der physikalischen Beschaffenheit. Auch sie lässt die Pflanzen bald als bodenstet, bald als bodenvag erscheinen. Auch hier sind es nicht innere, in der Natur der Gewiichse be- gründete Ursachen, sondern äussere Umstände, welche den Ausschlag geben. Bei gleicher chemischer Bodenbeschaffen- heit und unter übrigens gleichen Verhältnissen verträgt eine Art in Gesellschaft einer bestimmten Vegetation sehr weite, in Gesellschaft einer andern Vegetation nur, sehr limitirte Grenzen in den Feuchtigkeitsgraden der. Bodenkrumme.
Wie mir Scheint, ist es daher. die nächste und drin- gendste Aufgabe der Wissenschaft, die Aufmerksamkeit den Gewächsen zuzuwenden, welche die zu erforschende Art umgeben, vor allem aus den nächst verwandten, dann aber
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\
auch überhaupt solchen, welche an die Aussenwelt nahezu ‚gleiche, Anforderungen stellen, und endlich dem ganzen - Verein von Gewächsen, welcher die Pflanzendecke bildet. Solche Untersuchungen werden, wie es die geringen Anfänge in dieser Mittheilung gezeigt haben, manches Räthsel in der Verbreitung der Pflanzen aufklären, und uns nachweisen, warum eine Art hier vorkommt und dort unter den näm- lichen klimatischen und Bodenverhältnissen constant mangelt, obgleich ihr die Wanderung dorthin offen stände.
Eine andere nicht minder lohnende Aufgabe wäre es, die allgemeinern Thatsachen der jetzigen Verbreitung auf die grossen Veränderungen der Diluvialzeit zurückzuführen. ‚Bis jetzt sind darüber wenig mehr als allgemeine Gedanken und einzelne spezielle Andeutungen gegeben worden. | Die 'noth- wendigen Vorarbeiten dazu ‚wären genaue Verbreitungskarten mit allen Angaben, wo eine Art beobachtet wurde und wo sie fehlt, um aus den Lücken und Unterbrechungen in der Verbreitung auf die einstige Wanderung schliessen zu lassen.
20. Die Bastardbildung im Pflanzenreiche. (Vorgetragen den 15. Dezember 1865.) -
Die Veranlassung zur Behandlung dieses Themas ergab sich mir aus einer Untersuchung über die Bedeutung der in der Natur zwischen manchen Arten vorkommenden Zwischenformen, welche ich in einer nächsten Mittheilung darzulegen. beabsichtige. Das Thema über die Bastardbild- ung ist. indessen, auch in anderer Beziehung von ‚grösster Wichtigkeit. Dieselbe verbreitet einiges-Licht über die Fort- pflanzung, insofern es sich nämlich darum handelt, -in welcher Weise die Eigenschaften der Eltern auf die Nachkommen übertragen werden, Sie hilft ferner die Frage über den
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pier he rot ge ge da sich dieser auf In letzterer Bezichun rg = eg stardbildung Art und Bee — na = aas- weichen. Da in den Merk i ep on ecg deviations th : Eei. welche die äussere Gestalt, ! e bau und die chemische Zusammensetzung ergeben, = strenger Unterschied nicht gefunden wird, und da rück- en der Constanz, wegen der langen Dauer mancher N en, der Unterschied im besten Falle bloss eine rein theoretische Bedeutung hat, so glaubte man denselben darin wieder zu erlangen, dass die Arten sich mit anderm Er- folge gegenseitig befruchten sollten als die Varietäten. Diese Behauptung nun ist, wie sich ays der folgenden Darstellung ergeben wird, ungegründet. Zwischen Species und Varietät besteht auch in dieser Beziehung nicht eine absolute, son- dern eine allmählich abgestufte Verschiedenheit. Das Re- sultat ist um so sicherer, als es jedenfalls nicht durch sub- jective Befangenheit erhalten wurde. Weitaus die meisten und wichtigsten Versuche iiber Bastardbildung wurden von entschiedenen’ Anhängern der spezifischen Unveränderlichkeit ausgeführt, also von Beobachtern, die eher in der entgegen- gesetzten Richtung befangen waren und welche die That- ‘sachen von ihrem Standpunkte aus in dem ihren Anschau-
ungen möglichst günstigen Lichte betrachteten. Es lag ihnen z zwischen Species und Varietät in der
daran, einen Gegensat d zu. zeigen, dass
hybriden Befruchtung zu begründen, un die Varietätenbastarde normale und dauerhafte ‚Bildungen
seien, die Artbastarde dagegen Abnormitäten ohne Bestand. Wenn trotzdem die Versuche darthun, dass ein solcher Gegensatz nicht besteht, so kann man dieses Resultat als
um so sicherer festgestellt erachten *).
1) Man unterscheidet zuweilen zwischen Bastard und Blend-
ling (im Französischen zwischen hybride und métis), je nachdem
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Die Thatsachen sind in reichlicher Menge vorhanden. Schon vor einem Jahrhundert hat Kélreuter sehr zahl- reiche (viele tausende) und sehr genaue Versuche über künstliche Befruchtung zwischen verschiedenen Pflanzenformen angestellt. In diesem Jahrhundert ‚hat: Gärtner während eines, Zeitraums: von 26 Jahren nahezu 10000 künstliche Bestäubungen vorgenommen. und dabei jede Vorsicht ange- - wendet, welche ‚für das Gelingen und die kritische Benutzung derselben erforderlich schien. Ausserdem haben verschiedene Forscher sich mit dem gleichen Gegenstand beschäftigt, unter denen ich Knight, Herbert, Treviranus, Sageret, Wiegmann, Regel, Wichura, Lecocq, Naudin, Go- dron, Grönland nenne.
Wenn trotz dieser zahlreichen Versuche nicht grössere Uebereinstimmung betreffend die Bastardbildung im Pflanzen- reiche herrscht, so dürfte der Grund in verschiedenen Um- ständen liegen. Einerseits mangelt oft bei der Beurtheilung ein unbefangener und vorurtheilsfreier Standpunkt. Von der Unveränderlichkeit der Art ausgehend, sucht man vor Allem aus den Unterschied zwischen Artbastard und Varietätenbastard festzustellen, einen Unterschied, der in Wirklichkeit nicht besteht. Man wird dadurch veranlasst, die Thatsachen nicht nach ihrem innern Zusammenhange, sondern nach einem ihnen fremden Prinzip zu gruppiren, einzelnen Thatsachen eine gezwungene Erklärung ` aufzu-
die Eltern Arten oder Varietäten sind. Diese Unterscheidung mag zuweilen praktischen Nutzen gewähren, häufiger aber ist sie ver- wirrend und irreführend, weil sie einen Unterschied voraussetzt, der nur gradweise vorhanden ist. Richtiger wäre es wohl, wenn man überhaupt trennen will, Bastarde alle diejenigen hybriden- Pflanzen zu nennen, die eine verminderte Fruchtbarkeit zeigen, Blendlinge» diejenigen mit vollkommener Fruchtbarkeit, ohne Rücksicht darauf, ob die einen und niini von Species oder Varietäten gefallen sind. 15
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nöthigen, andere zu ignoriren oder als Ausnahmen zu be-
handeln.
i nicht in dem Maasse, als sie | Namentlich gilt diess von den obachtungen Gärtner’s, welche rsuche und Beobachtungen über die Bastarderzeugung im Pflanzenreiche 1849) mit allzu- geringer Uebersichtlichkeit dargelegt werden. Dafür lässt = sich zuweilen von Wahrnehmungen leiten, die man an wirk- lichen oder vermeintlichen Bastarden in der freien Natur gemacht und willkürlich commentirt hat. Oder man benutzt seine eigenen spärlichen Versuche, welche wegen ihrer Unvoll- ständigkeit und häufig wegen ihrer Ungenauigkeit unbrauch- bar sind, zu ‘einer neuen Theorie, ohne zu ahnen, d darüber zahlreiche und genaue Versuche längst entschieden Die Lehre von der Bastardbildung würde in der te gemacht haben, wenn manche zufangen, sich die Erfahrungen en Forscher zu Nutzen gemacht Lebens auf die Lösung dieses Keine Lehre ist weniger abge- kritisch ausgeführte Versuche sind henswerth, Aber sie können nur erth haben, wenn sie sich auf die
ehenen Stützen, wenn sie entweder die festgestellten Regeln durch neue Thatsachen bestätigen,
oder wenn sie dieselben modificiren, erweitern, beschränken,
im letztern Falle aber die Bedingungen darthun, unter denen diese Modificationen eintreten.
‚Ich werde in der folgenden Uebersicht der Resultate mich ausschliesslich an die künstlichen Bas
tardirungsver- suche halten, indem ich mir die Anwendung auf die wild-
. es verdienen, gewürdigt. zahlreichen und trefflichen Be leider in seinem Buche (Ve
, die die Arbeit ihres Problems verwendeten.
191
wachsenden hybriden Formen für eine folgende Mittheilung vorbehalte.
‚1. Pflanzenformen, die sich systematisch nahe stehen, können mit einander Bastarde bilden. Im Allgemeinen geht die Befruchtungsfähigkeit nicht über die Gattung, sehr oft nicht über die Gattungs- section hinaus, und manchmal bleibt- sie innerhalb der Art eingeschlossen. Es verhalten sich in dieser Beziehung die verschiedenen natürlichen Ordnungen und Gattungen sehr ungleich.
Mit Rücksicht auf den Umfang, in welchem die Genera von der’ strengeren Schule der Systematik gefasst werden, können wir sagen, dass im Allgemeinen nur Arten des gleichen Genus sich befruchten können. Die wenigen Ausnahmen dürften sich auf folgende sichere Fälle beschränken: Lychnis und Silene, Rhododendron und Azalea, Rhododen- dron und Rhodora, Azalea und Rhodora, Rhododen- dron und Kalmia, Rhododendron und Menziesia?), Aegilops und Triticum, Gattungen der Cacteen (Echino- cactus, Cereus, Phyllocactus) und Gessneriaceen. Ich fiige bei, dass von den wildwachsenden Bastarden mir ausser- dem nur zwei bekannt sind, welche von verschiédenen Gattungen abstammen kénnten: Festuca loliacea Huds., welche nach A. Braun ein Bastard von Festuca elatior Lin. und Lo- lium perenne Lin. ist, und Nigritella suaveolens Koch, welche nach meinen Beobachtungen von Nigritella an- gustifolia Rich. und Myonadania odoratissima Rich. erzeugt wird.
Mit Riicksicht auf die geringe Zahl der Ausnahmen dürfte vielleicht die Frage aufgeworfen werden, ob in diesen
N
2) Bryanthus erectus Grah. et Paxt. Bastard von Rhodo» dendron Chamaecistus Lin. und Menziesia coerulea Wahlenb.
15*
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Fällen die Gattung nicht zu enge, oder eher ob sie nicht unrichtig gefasst worden sei? ob die Verwandtschaft, welche in der gegenseitigen Befruchtungsfähigkeit sich kundgiebt, nicht verbiete, zwei Arten generisch zu trennen? Dafür liesse sich, ohne weiter auf das Prinzip einzutreten, wenig- stens anführen‘, dass es mehrere Beispiele giebt, wo zwei sich bastardirende Arten, die früher in den mehr künst- lichen Gattungen getrennt waren, jetzt in der nämlichen mehr natürlichen Gattung vereinigt sind.
Schon von Herbert und Andern wurde die Regel aus- ‚gesprochen, dass nur congenerische Species sich bastardiren ‚ können, und dass Arten, welche diese Fähigkeit besitzen, zu einer Gattung vereinigt werden müssen. der unlogische und daher nichtige Einwurf wenn man diess als richtig anerkenne, so müsste man die sich nicht bastardirenden Species generisch trennen. Wenn ich sage, dass alle Weine zur Gattung Flüssigkeit gehören, so folgt daraus nicht, dass auch jede Flüssigkeit eine Wein- sorte sein müsse, und dass Alles, was nicht Wein ist, dess- wegen auch keine Flüssigkeit sein könne.
Es giebt Genera, in welchen a Verhältniss zu “einander stehen, dass sie sich gegenseitig befruchten. In andern besteht diese Beziehung nur zwischen den Arten der gleichen Section, während Arten verschiedener Sectionen sich nicht mit einander bastardiren, Sehr häufig mangelt dieses Vermögen selbst den Arten d Gattungssection, so dass hier nur die Varietäten Art mit einander Bastarde bilden.
In der Neigung zu hybrider Befruchtung scheint übri- gens eine grosse Verschiedenheit zwische Gruppen des Pflanzenreiches zu herrschen. Ueber die Crypto- gamen- lässt sich in dieser Beziehung , wegen Mangel an Versuchen, nichts sagen; man weiss bloss, dass sie Bastarde - bilden können. Unter den Phanerogamen gelingt die Ba-
Es ist dagegen gemacht worden,
lle Arten in dem nahen
er gleichen der ‘gleichen
n verschiedenen
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stardbildung zwischen den Arten leichter bei folgenden Ord- nungen: Liliaceen, Irideen, Nyctagineen, Lobelia- ceen, Solanaceen, Scrophularineen, Gessneriaceen, Primulaceen, Ericaceen, Ranunculaceen, Passi: floreen, Cacteen, Caryophylleen, Malvaceen, Ge raniaceen, Oenothereen, Rosaceen. Die hybride Befrucht- ung zwischen den Arten gelang gar nicht oder nur ausnahms- weise bei den Gramineen, Urticaceen, Labiaten, Con- volvulaceen, Polemoniaceen, Ribesiaceen, Papa- veraceen, Cruciferen, Hypericineen, Papilionaceen.
Eben so verschieden verhalten sich die Gattungen der gleichen natiirlichen Ordnung. Unter den Caryophylleen lassen sich die Arten von Dianthus leicht, diejenigen von Silene schwer bastardiren. Unter den Solanaceen sind die Arten von. Nicotiana und Datura zu hybrider Be- fruchtung geneigt, nicht aber diejenigen von Solanum, Physalis, Nicandra; unter den Scrophularineen die Arten von Verbascum, Digitalis, nicht aber Pentastemon, Antirrhinum, Diani unter den Rosaceen die Arten von Geum, nicht aber Te
2. Die Pflanzenformen (Varietäten und Arten) ba- stardiren sich um so schwieriger und geben bei. gegenseitiger Befruchtung eine um so geringere Zahl fruchtbarer Samen, je weniger sie unter ein- ander sexuell verwandt sind. Diese sexuelle Af Tinität ist nicht gleichbedeutend mit der systemati- schen, welche durch äussere . Formverschieden- heiten, Farbe und Habitus sich kundgiebt, noch mit der innern-Verwandtschaft, welche in der chemischen und physikalischen Constitution be gründet ist. Alle drei Affinitäten gehen jedoch ganz im Allgemeinen parallel.
Der befruchtende Bliithenstaub wirkt ‘mehr oder weniger vollständig auf die weiblichen Organe. Wenn gar kein be-
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fruchtender Einfluss statt hat, so welken dieselben, als ob überhaupt kein Pollen auf die Narbe gelangt wäre. Der erste und geringste Grad der Einwirkung besteht darin, dass bloss der Fruchtknoten, sammt dem Kelch, etwas wächst, ohne dass eine Veränderung an den Eichen sichtbar wird. Ein zweiter Grad besteht darin, dass der Frucht- knoten stärker wächst und die Ovula ebenfalls sich ver- grössern, aber dann zusammenschrumpfen. Ein dritter Grad bringt es zu kleinen unvollkommenen Früchten mit leeren Samen. Ein vierter Grad zeigt normal ausgebildete Früchte mit leeren Samen. Ein fünfter Grad bildet normale Früchte mit einzelnen scheinbar vollkommenen, aber keimlosen Samen. Ein sechster Grad entwickelt normale Früchte, deren Samen einen kleinen, welken, nicht keimungsfähigen Embryo ent- halten. Ein siebenter Grad endlich reift normale Früchte mit normalen Samen, aber in diesem letzten Grad der voll- kommenen Befruchtung giebt es wieder alle möglichen Unter- _ grade, je nachdem bloss ein oder wenige Ovula, eine grössere Zahl derselben oder nahezu alle sich in keimfähige Samen verwandeln. Der Einfluss des befruchtenden Blüthenstaubs auf die weiblichen Organe stuft sich also fast unendlich ab.
Dass die sexuelle Affinität nicht genau mit der syste- matischen Verwandtschaft zusammenfällt, ergiebt sich aus vielen Beispielen. Es kommt nicht selten vor, dass zwei Arten A und B, die sich äusserlich sehr ähnlich sehen, sich nicht bastardiren, während A sich mit der Art C, welche in den Merkmalen viel mehr abweicht als B, leicht be- fruchtet. So ist es z. B. noch nicht gelungen, den Apfel- baum mit dem systematisch nahe verwandten Birnbaum hybrid zu vereinigen, ebenso wenig die sehr ähnlichen Ana- gallis arvensis Lin. und A. coerulea Schreb., Primula officinalis Jacq. und P. elatior Jacq., Nigella dama- scena Lin. und N. sativa Lin., Pentastemon gentia- = noides Poir. und P. Hartwegii Benth. und viele ıandere.
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Dagegen befruchten sich die einander unähnlichen Aegilops ovata Lin. und Triticum vulgare Vill., Lychnis diurna Sibth. und Lychnis Flos cuculi Lin, Rhododendron ponticum Lin. und Azalea pontica Lin, Cereus spe- ciosissimus Desf. und C. Phyllanthus DC. (Phyllo- cactus Phyllanthus Link.), strauchartige und krautartige Calceolarien, die in den Früchten abweichenden Pfirsich- baum und Mandelbaum etc.
Man könnte mit Gärtner. die Meinung hegen wollen, dass die sexuelle Verwandtschaft mit der innern oder chemisch-physikalischen identisch sei. Diess wird durch folgende, sich öfter wiederholende Thatsache unmöglich, dass von zwei Pflanzenarten (A und B) sich A durch B, nicht aber B durch A befruchten lässt, oder dass A leichter durch B als B durch A befruchtet wird. Da nun sicher A zu B die gleiche innere ‚Verwandtschaft hat wie B zu A, so muss die Anziehung zwischen den Geschlechtsorganen etwas Besonderes sein. Wir können die letztere auch nicht als eine Folge der innern oder chemisch -physikalischen Be-
_ schaffenheit betrachten, da es viele andere Arten giebt, wo die Befruchtungsfähigkeit die gleiche ist, ob A oder B die männliche Rolle übernimmt.
Mit der Affinität, die sich aus der künstlichen Befrucht- ung ergiebt, muss allerdings besondere Vorsicht angewendet werden, weil der Erfolg derselben noch durch so viele andere Nebenumstände bedingt wird. Desswegen darf aus einigen wenigen Versuchen nie ein Schluss gezogen werden. Wenn einige Blüthen A, durch B befruchtet, und einige Blüthen B, durch A befruchtet, zufällig ein ungleiches Re- sultat geben, darf man desswegen noch nicht auf ungleiche, — wenn sie- zufällig ein gleiches Resultat geben, noch nicht auf gleiche gegenseitige Sexualaffinität schliessen. Die Fol- gerung ist aber nicht zu beanstanden, wenn eine grössere Zahl von Versuchen in mehreren Jahren wiederholt im
Ea
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Resultat übereinstimmt. Ich will hiefür nur zwei Beispiele anführen. Gärtner hat in 5 verschiedenen Jahren 79 Bliithen der Nicotiana paniculata Lin. mit Blüthenstaub von N. Langsdorfii Weinm. befruchtet; 66 davon setzten Früchte an, die alle ziemlich viele Samen reiften. ‚Ebenderselbe hat ferner in 3 verschiedenen Jahren 44 Blüthen der N. Langs- dorfii mit Pollen der N. paniculata bestäubt, ohne den geringsten Erfolg. Kölreuter könnte Mirabilis Jalapa Lin. leicht durch den Pollen von M. longiflora Lin. be- fruchten: aber bei mehr als 200 Bestäubungen von M. longiflora durch M. Jalapa während 8 Jahren erhielt er nie Samen.
Daraus geht unbestreitbar hervor, dass von gewissen hermaphroditischen Pflanzenarten die eine zu der andern eine ungleiche Anziehung besitzt, je nachdem sie als Mann oder als Weib sich ihr nähert. Wir müssen daher zwischen zwei Pflanzenformen drei verschiedene Affinitäten anerkennen: die äussere oder systematische, die innere oder chemisch} physikalische?) und die sexuelle. Was die letztere betrifft, so weiss man nichts über die Natur derselben. Möglicher Weise könnte sie durch äussere (mechanische) Ursachen be- dingt werden; wahrscheinlicher hängt sie mit localen, in den Geschlechtsorganen liegenden , chemisch-physikalischen Constitutionen zusammen.
Wenn auch die sexuelle Affinität etwas Selbständiges ist, so geht sie im Allgemeinen doch mit der systematischen parallel, oder kommt wenigstens nicht in allzugrossen Wider-
3) Dass äussere und innere Verwandtschaft nicht identisch sind, ergiebt sich, um nichts Weiteres anzuführen, deutlich aus der Thatsache, dass ein Merkmal in zwei Pflanzen äusserlich ganz das gleiche sein kann, obgleich es in der einen noch durchaus variabel ist, in der andern aber durch correspondirende innere Verander- ungen eine grosse Constanz erlangt hat.
——
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spruch mit derselben. Ich habe bereits gesagt (§. 1), dass Arten von verschiedenen Gattungen mit wenigen Ausnahmen sich nicht bastardiren. -Dasselbe gilt fast immer auch für die Arten, welche zu verschiedenen natiirlichen Sectionen der gleichen Gattung gehören, also für congenerische Arten, die sich systematisch ferner stehen, Zwei Species eines Genus, die sich nicht. zu befruchten vermögen, ‚können durch Vermittelung einer dritten, zu der sie beide Verwandtschaft haben, zusammengebracht werden. A und B bastardiren sich nicht, wohl aber A und C, ebenso B und C. Ist diess der Fall, so findet hybride Verbindung zwischen A und dem Bastard B+C, ebenso zwischen B und dem Bastard A+C statt®). =
* Wenn von zwei Arten jede verschiedene Varietäten hat, so ‚besteht zwischen den gleichartigen Varietäten der einen und andern Art eine grössere Affinität, als zwischen den ungleichartigen. Verbascum Blattaria Lin. und V. Ly- chnites Lin. haben gelb- und weissblühende Varietäten. Das weissblühende V. Blattaria verbindet sich leichter mit dem weissblühenden als mit dem gelbbliihenden V. Ly- chnitis und umgekehrt. Die übrigen- Verbascum-Arten mit gelben Blüthen geben ebenfalls mit den gelbblüthigen Pflanzen von V. Blattaria und V. Lychnitis eine grössere
- 4) Durch die Formel A--B bezeichne ich immer den Bastard. der elterlichen Formen A und B, wenn es unbestimmt oder gleich- gültig ist, welche derselben Vater und welche Mutter gewesen sei. AB dagegen ist die Pflanze, welche A zum Vater, B zur Mutter hat und BA ist aus der Befruchtung von A durch B hervorgegan- gen. Man bedient sich sehr häufig der umgekehrten Bezeichnungs- weise, indem man den Namen der Mutter voranstellt. Da hierüber keine Einigkeit herrscht, so wähle ich diejenige Namengebung, welche auch in andern "Gebieten gebräuchlich ist, wo man mit wenigen Ausnahmen dem Namen des Mannes die erste Stelle giebt.
198
Menge von hybriden Samen als mit weissblüthigen Pflanzen der gleichen Species.
Eine solche Steigerung der sexuellen Affinität zwischen gewissen Varietäten verschiedener Arten kommt auch dann vor, wenn eine grössere Aehnlichkeit in den systematischen Merkmalen nicht bemerkbar ist. Es ist überhaupt eine häufige Thatsache, dass zwei Varietäten der gleichen Art nicht die nämliche Geschlechtsverwandtschaft zu einer andern Art haben. Schon Kölreuter hat diess durch eine Reihe von genauen Versuchen bewiesen. Von fünf Tabaksorten, welche sich durch die vollkommene Fruchtbarkeit ihrer Ba- starde als Varietäten einer Species erwiesen, vereinigte sich div eine bei wiederholten Versuchen mit Nicotiana glu- _tinosa Lin. leichter und gab mehr Samen als die übrigen vier. Gärtner erhielt bei re andern Pflanzen ein gleiches Resultat.
Unter den Arten erfolgt die gegenseitige Befruchtung in der Regel am leichtesten bei jenen, welche an der-Grenze . zwischen Species und constanter Varietät stehen, und welche _ von. den einen Autoren als Arten, von den andern als Varietäten oder Racen angesehen werden. So giebt z. B. Lychnis diurna Sibth. eben so viele Samen, wenn sie durch L. vespertina Sibth., als wenn sie durch ihren eigenen Pollen oder durch den ihrer weissen Varietät be- fruchtet wird. Dessgleichen zeigt L. vespertina die näm- liche Fruchtbarkeit, wenn sie durch L. diurna, als wenn ‘sie durch sich selbst bestäubt wird. Beide Pflanzen wurden von Linné in eine Species vereinigt, von den spätern getrennt. |
Noch leichter als unter den nächst verwandten Arten geschieht die Bastardirung zwischen den Varietäten der näilichen Art. Diese sind meist so geneigt dazu, dass man sie nicht neben einander pflanzen darf, wenn man sie rein erhalten will. Aus ihrer gegenseitigen Befruchtung gehen
En gern ewe
P == N ur se +
199
- sehr reichliche Samen hervor. Selbst in Ordnungen, wo ‘sich die Species nicht zu bastardiren vermégen, wie bei den \Cruciferen, Papilionaceen etc. befruchten sich die Va- rietäten leicht (Brassica, Pisum, Phaseolus).
Doch giebt es auch Varietäten, die sich nur schwer verbinden. So berichtet Gärtner, er habe 14 Kolben (auf eben so vielen Pflanzen) der gelbfrüchtigen Zea Mays nana mit dem Pollen der rothfrüchtigen Zea Mays major befruchtet; 13 Kolben haben gänzlich fehlgeschlagen, der letzte bloss 5 Samen getragen. Ferner wurden von vier Pflanzen der Zea Mays major mit gelben Früchten zwei durch die rothfrüchtige und zwei durch die aschgraufrüchtige Zea Mays major, endlich von vier Pflanzen der roth- früchtigen Zea Mays major zwei durch die, gelbfrüchtige und zwei durch die aschgraufrüchtige Zea Mays major bestäubt. Jede dieser 8 Pflanzen, weit entfernt eine nor- male Ernte zu geben, reifte bloss eine ziemlich geringe Zahl von Samen. |
Der nämliche Beobachter bestäubte Silene inflata Var. alpina mit eigenem Pollen und erhielt die normale Menge Samen. Aber alle Versuche (im Ganzen 36), wo zwei Varietäten der genannten Species mit- einander gekreuzt wurden, gaben eine merklich geringere Menge oder auch gar keine Samen. Er befruchtete nämlich Silene inflata alpina durch S. i. angustifolia, 8. i. latifolia durch S. i. litoralis, S. i. litoralis durch S. i. angustifolia und durch 8. i. latifolia 5).
Ebenso haben die Versuche von verschiedenen Beob- achtern gezeigt, dass in der Ordnung der Cucurbitaceen
5) Diese Formen werden gewöhnlich als Varietäten betrachtet; Gärtner führt sie zum Theil als Arten auf: Cucubalus alpinus, Cucubalus Behen angustifolius, Cucubalus Behen lati- folius und Cucubalus litoralis.
200
z
. gewisse Varietäten der gleichen Art sich schwer bastardiren, während die Mehrzahl es mit Leichtigkeit thut. Es soll hier die hybride Befruchtung um so schwieriger gelingen, je grösser der Abstand in den systematischen Merkmalen zwischen ihnen ist.
= Vergleichen wir die Species und die Varietäten mit Rücksicht auf die sexuelle Affinität, so finden wir. keine Grenze, welche dieselben scheidet. Im Allgemeinen ist die Verwandtschaft allerdings grösser zwischen den Varietäten und geringer zwischen den Species. Allein es giebt Varie- täten (wie diejenigen des Mays, der Silene inflata und der kürbisartigen Gewächse), welche von einer Menge guter Arten in der Neigung zu gegenseitiger Befruchtung über- troffen werden. Wenn wir die Gewächse nach der Stärke der sexuellen Verwandtschaft in eine Reihe ordnen wollten, so kämen zuerst Varietäten, zuletzt Species, in der Mitte aber würden auf einer beträchtlichen Strecke der Reihe Varietäten und Species durch einander stehen und mit ein- ander abwechseln.
3. Die Fruchtbarkeit der Bastarde ist um so geringer, diemännlichen und weiblichen Geschlechts- organe sind um so mehr geschwächt und zur Be- gattung untauglich, die Zahl ihrer keimfähigen Samen um so kleiner, je weiter die erzeugenden Formen (Stammeltern) in der sexuellen Verwandt- schaft sich von’ einander entfernen. Die Species- bastarde sind also im Allgemeinen weniger frucht- bar als die Varietätenbastarde.
Betrachten wir zuerst die Erscheinungen, welche die relative oder absolute Unfruchtbarkeit der Bastarde be- gleiten, so finden wir für die männlichen Organe Folgendes. Bei gänzlicher Impotenz verkümmern die Staubbeutel ent- weder vollständig, oder was häufiger der Fall ist, sie bilden bloss unausgebildete und. unregelmässig gestaltete , Pollen-
Te Nir a
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körner, welche nicht in Pollenschläuche auswachsen. Bei der partiellen Impotenz wird neben diesen unausgebildeten Körnern eine geringere oder grössere Zahl von vollkom- menen, zu Schläuchen auswachsenden Pollenzellen erzeugt. Diese letztern verhalten sich aber nicht ganz wie die Pollen- körner der Stammeltern; sie entwickeln nämlich ihre Schläuche in der nämlichen verdünnten Zuckerlösung oder in der nämlichen Nectariumflüssigkeit und ebenso auf den Narben langsamer. i
Die gänzliche Unfruchtbarkeit der weiblichen Organe zeigt verschiedene Stufen; es sind die nämlichen, welche man bei der gegenseitigen Bestäubung solcher reinen Arten beobachtet, die eine geringe sexuelle Verwandtschaft zu ein- ander haben (vgl. §. 2). Entweder welkt der Stempel, ob- gleich bestäubt, doch gerade so, als ob eine Berührung mit Blüthenstaub nicht statt gefunden hätte. Oder der Frucht- knoten vergrössert sich weniger und mehr, selbst zu einer normalen reifen Frucht; die Ovula in demselben verkümmern gänzlich, oder sie entwickeln sich ebenfalls weniger und mehr, selbst zu anscheinend normalen Samen, die aber einen nicht keihungsfähigen Embryo enthalten. — Die partielle Un- fruchtbarkeit giebt sich darin kund, dass eine geringere Menge von keimungsfähigen Samen gebilt wird, dass die- selben langsamer keimen ¢ ‚als die Samen der reinen Arten und zu schwächlichen Pflanzen werden.
Die Speciesbastarde verhalten. sich rücksichtlich ihrer Fruchtbarkeit äusserst verschieden und bieten Beispiele für alle erwähnten Abstufungen dar. Es giebt solche, welche (bei Selbstbestäubung) beinahe eben so viele keimfähige Samen erzeugen als die Stammarten selbst. Bei den Ver- suchen Gärtner’s reifte der Bastard von Lobelia cardi- nalis Lin. und L. fulgens Willd. in einer Kapsel gegen 900 Samen, die Eltern dagegen 1100—1200; der Bastard von Lychnis diurna Sibth. und L.. vespertina Sibth.
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gab 90—125, seine Eltern aber 150—190 Samen; der Ba- stard von Dianthus barbatus Lin. und D. japonicus Thunb. 45, hingegen Dianthus barbatus 96; der Bastard von Datura Stramonium Lin. und D. Tatula Lin. 220—280, seine Eltern aber 600—800 Samen 6), Es giebt andere Bastarde, die nur 4, Ye, Yıo, 120 so viel Samen hervorbringen als die Stammarten; solche die unter vielen tauben immer nur einzelne gute Samen, und solche, die bloss in einzelnen Individuen einige wenige Samen erzeugen, in den übrigen nicht.
In diesen Beispielen wurde Selbstbestäubung des Ba- stards vorausgesetzt; es sind also beide Geschlechtsorgane zeugungsfäbig. Es giebt jedoch auch manche Bastarde, die bloss ein conceptionsfähiges weibliches Organ besitzen, während der Pollen taub ist. Bei einigen ist der Blüthen- staub befruchtungsfähig, :aber der Stempel ist unfruchtbar. Die letzten beiden sind also unfähig durch Selbstbefruchtung Samen hervorzubringen; wohl aber können die erstern von den Stammeltern befruchtet werden, die zweiten können dieselben befruchten. — Endlich giebt es Bastarde mit ab- soluter Zeugungsunfähigkeit; die männlichen Organe der- selben sind gänzlich impotent, die weiblichen gänzlich untaug- lich zur Conception. es
Diese relative oder absolute Unfruchtbarkeit der Art- bastarde wird immer durch eine entsprechende Schwächung der geschlechtlichen Sphäre bedingt. Diese Schwächung zeigt ‚sich auch deutlich darin. dass alle Artbastarde durch Selbst- befruchtung weniger Samen geben, als wenn sie von einer der beiden Stammarten pestiubt werden. Es giebt selbst solche, welche sich nicht selbst zu befruchten vermögen;
6) Datura Stramonium und D. Tatula wurden von Linné und vielen Autoren als zwei besondere Arten, von einigen Autoren jedoch als Varietäten einer Art betrachtet.
203
aber sie befruchten die Eltern und werden von ihnen be- fruchtet. Im letzten Falle sind die geschwächten Geschlechts- organe nicht ganz unfähig zur Zucht; aber jedes derselben vermag nicht: mit einem Organe gleicher Schwäche, wohl aber mit einem stärkern Organe einen lebensfähigen Keim hervorzubringen.
Im Allgemeinen kann als Regel gelten, dass die männ- lichen Organe der Speciesbastarde stärker affizirt, d. h. in höherem Grade geschwächt sind, als die weiblichen; daher es auch mehr männlich impotente, als weiblich conceptions-: unfähige Bastarde giebt. Doch ist diese Regel nicht ohne Ausnahme. Schon Kölreuter giebt an, dass die Befrucht- ung von Dianthus chinensis durch Dianthus barbato- chinensis mehr Samen gegeben habe als die Befruchtungen des Bastards (D. barbato-chinensis) durch eine der beiden Stammarten (D. barbatus oder D. chinensis), und zieht daraus den Schluss, dass die Fruchtbarkeit des Bastards von männlicher Seite weniger eingeschränkt sei als von weiblicher”).
Die Artbastarde zeichnen sich, wie ich später anführen . werde ($. 8), meistens durch einen grossen Reichthum an Blüthen aus. Von denselben bildet, selbst bei den frucht- barsten, nur ein kleiner Theil Samen; die grosse Mehrzahl bleibt immer taub. In dieser Beziehung giebt es, nach Gärtner, besondere Regeln für die verschiedenen Arten: Bald sind es die ersten Blüthen, bald die mittlern, bald die letzten der ganzen Blüthezeit, welche Samen ansetzen. Die Erscheinung, dass viele Blüthen unfruchtbar bleiben, kommt übrigens bekanntlich auch bei den reichblühenden Formen der reinen Arten vor.
7) Kölreuter (II. Fortsetzung 101) nennt Dianthus car- thusianorum, sagt aber früher, es sei darunter D. barbatus
Lin. gemeint.
4
204
Wenn die Artbastarde durch Selbstbestäubung, Samen zu bilden vermögen, so vermindert sich bei fortgesetzter Selbstbestäubung meistens ihre Fruchtbarkeit von Generation zu ‘Generation. Sie ‘werden früher oder später gänzlich steril, die einen schon’ in der 2. und 3., die fruchtbarsten in der 9. bis 10. Generation. Doch giebt es auch Species- bastarde, deren Fruchtbarkeit in der ersten Generation ver- mindert ist, in der zweiten und den folgenden Generationen aber wieder zunimmt, wie diess z. B. bei dem Bastarde von Dianthus barbatus Lin. und D. chinensis Lin. beob- achtet wurde. Die Sexualorgane gewisser Artbastarde können also im Verfolg der Generationen wieder stärker werden, = woraus wohl geschlossen werden darf, dass sie eine eben so vollkommene Beschaffenheit zu erreichen im Stande sind, wie sie sie bei den Stammeltern haben. — Diess wird auch ausdrücklich von Herbert angegeben, welcher in mehreren Fällen die Artbastarde ebenso fruchtbar fand als ihre Stammarten, ünd zwar auch bei einigen Pflanzen, wo Gärtner wahrscheinlich wegen weniger günstiger Kultur eine ver- minderte Fruchtbarkeit beobachtete.
Die Varietätenbastarde zeichnen sich vor den Artbastar- den im Allgemeinen durch eine grössere Fruchtbarkeit aus. Dieselbe kann in der ersten Generation geschwächt sein und in ‘den folgenden zunehmen, wie ich es eben für einige Speciesbastarde angegeben habe. Diess ist der Fall bei den Abkömmlingen von Varietäten, die weiter von einander ent- fernt sind und eine grössere Constanz erlangt haben. Die Varietätenbastarde können aber auch schon in der ersten Generation an Fruchtbarkeit die Eltern übertreffen.
Aus den angeführten Thatsachen geht zur grössten Evidenz hervor, dass es in der Fruchtbarkeit der hybriden Formen eine allmähliche Abstufung giebt, und dass sich in dieser Beziehung zwischen Varietätenbastarden und Species- bastarden keine scharfe Grenze ziehen lässt. Man hat zwar
205
an verschiedenen Stellen diese Grenze festzustellen versucht, jedoch ohne günstigen Erfolg.
Es war und ist zum Theil jetzt noch eine beliebte An- nahme, dass die Artbastarde keine Samen hervorbringen können. Man beruft sich dabei gewöhnlich auf Kölreuter; allein weder dieser Beobachter noch irgend ein anderer, der sich mit Bastardirungsversuchen abgegeben, hat eine so un- haltbare Ansicht ausgesprochen. Kölreuter sagt bloss, dass die Varietätenbastarde vollkommene Fruchtbarkeit besitzen, die Artbastarde dagegen entweder ganz unfruchtbar, oder doch weniger fruchtbar als die Stammeltern seien. Was die letztere Unterscheidung betrifft, so haben die spätern Ver- suche, in welchen die-Samen abgezählt wurden, dargethan, dass es einen allmählichen Uebergang von den Varietäten- bastarden zu den Artbastarden giebt. Wenn das Vermögen, Samien hervorzubringen, den Speciesbastarden mangelte oder ‚Ihnen nur in beschränktem Maasse zukäme, so müsste man z. B. Dianthus superbus Lin. und D. barbatus Lin., D. barbatus Lin. und D. chinensis Lin., D. arenarius Lin. und D. chinensis Lin., D. Armeria Lin. und D. del- toides Lin, Geum urbanum Lin. und G. rivale Lin. je in eine Art vereinigen; denn die hybriden Verbindungen ` derselben zeichnen sich durch grosse Fruchtbarkeit aus. Eine solche Reform der Pflanzenspezies dürfte wohl keinem Botaniker einfallen, um so weniger, als die Grenze zwischen Varietät und Art ebenso schwankend und unbestimmt bliebe als sie es jetzt ist. Wollte man gar, um eine besser deffinirte Grenze zu erhalten, alle Hybriden, welche durch Selbstbe- stäubung keimfähige Samen erzeugen, als Varietätenabkömm- linge erklären, so müsste man ganze Gattungen und Gat- tungssektionen zu Arten degradiren.
‚Eine andere Theorie beschränkt die ech DES
auf die Unfruchtbarkeit der männlichen Organe, Dieselbe “16
206
wurde zuerst von Knight ausgesprochen, aber schon von
seinem Landsmanne Herbert bestritten und widerlegt.
Knight selbst musste schliesslich zugestehen , dass ein Ba-
stard des Pfirsich- und Mandelbaums, der während 3 Jahren nur unvollständige Blüthen trieb, -im vierten Jahr vollkom- mene Blüthen und reichlichen Blüthenstaub hervorgebracht habe. Er fügte bei, dass er keine Ursache hätte, an der Fruchtbarkeit dieses Blüthenstaubs zu zweifeln. In neuerer Zeit hat Klotzsch (Bericht über d. Verhandl. d. k. preuss. Ak. d. Wiss. 1854 p. 535) mit grossem Eifer die Theorie von Knight verfochten, dabei die Unvorsichtigkeit von des- sen eben erwähntem Geständniss getadelt und den Grund, warum er in England keine Zustimmung gefunden, in dem Umstand gesucht, dass sein Gegner Herbert, der die Fruchtbarkeit der Bastarde behauptete, ein Geistlicher war. Dagegen hielt Klotzsch. es nicht der Mühe werth, der Hunderte von Beispielen zu erwähnen, in welchen schon Kölreuter sowie Spätere namentlich Gärtner von den Speciesbastarden Blüthenstaub erhielten, den sie zur Be- fruchtung benutzen konnten, noch auch die daraus sich er- gebende Consequenz zu erörtern, dass man die Arten ganzer Gattungen und selbst verschiedener jetziger Gattungen spe- zifisch vereinigen müsste.
Eine mehr beachtenswerthe Theorie ist von Gärtner
aufgestellt worden. Die Artbastarde sollen nach ihm darin sich auszeichnen, dass sie
fruchtbar, bei der Selbstb
schliessliche Gültigkeit bei- messen, da Gärtner selbst sagt: „Wir haben aber auch
bemerkt, dass bei einigen fruchtbaren Bastarden die Frucht- barkeit durch die künstliche
Befruchtung mit dem
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eigenen Pollen®) in der zweiten, dritten und den weiteren Generationen wieder zugenommen hat, z. B. bei dem Dianthus chinensi-barbatus, indem die organische Be- schaffenheit und die Potenz der männlichen Organe durch diese wiederholten Zeugungen nach und nach wieder ver- vollkommnet wird.“ Dieses Zeugniss scheint mir um so wichtiger, als Gärtner die Verschiedenheit von Art und Varietät durch die angeführte Theorie zu retten versuchte. Ich bemerke noch, dass die Bastarde nur unter Umständen, welche sehr ungünstig auf ihre Fruchtbarkeit wirken muss- ten, gezogen wurden. Um sie vor der Bestäubung durch andere Pflanzen zu bewahren, wurden sie meist in Töpfe ge- pflanzt und im Zimmer gehalten. Wenn man Stöcke von reinen Arten so behandeln und durch 9—10 Generationen immer nur mit sich selbst befruchten wollte, so ist 100 gegen 1 zu wetten, dass viele derselben ebenfalls an Fruchtbarkeit ab- nehmen und zuletzt aussterben würden (vgl. $.4). Wenn trotz dieser ungünstigen Verhältnisse bei einzelnen Artbastar- den die Fruchtbarkeit durch mehrere Generationen sich vermehrte, so müssen wir annehmen, dass sie an Frucht- barkeit den reinen Arten nicht nachstehen und dass sie zu- einer Dauer und Constanz gelangen können, die. derjenigen der Arten gleichkommt.
4. Die Regel, dass die sexuelle Affinität um so grösser sei, dass also die hybride Befruchtung um so leichter erfolge und um so zahlreichere Samen gebe, dass ferner die aus ihr entsprungenen Bastarde. bei der Selbstbestäubung um so fruchtbarer seien, je näher die Stammformen äÄusserlich und innerlich verwandt sind, gilt nur bis zu einer gewissen Grenze, -
8) Diese gesprengt gedruckten Worte sind in derselben Weise von Gärtner selbst hervorgehoben.
16*
208
innerhalb deren die Frucht ziehungen abnimmt. dividuums scheint in aus den Samen Pflan keitund Vegetationsk
barkeit in beiden Be Die Selbstbestäubung des In- der Regel weniger Samen und zen mit geringerer Fruchtbar-
raftzugeben, alsdieBestäubung durch ein anderes Individuum. Ebenso ist die Be-
` gattung innerhalb der nämlichen Varietät für das Wachsthum und die Samenbildung meist weniger
günstig als die Kreuzung mit einer nahe verwand- ten Varietät,
Es: ist schwerer, zu beweisen, Niemand darü man daher bl tungen etwas
diesen Grundsatz durch ee als die in §. 2 und 3 ausgesprochenen, PE ber direkte Versuche angestellt hat, und wel
oss durch einzelne zufällig gemachte Beobach- darüber weiss, Niemand h Successiven Generationen die Selbstbe
duums veranlasst. Man kennt aber den
at während mehreren stäubung des Indivi- nachtheiligen Einfluss von fortgesetzten allzunahen Heirathen beim Menschen; und dass diese Analogie auch für das Gewächsreich gelte und dass hier Aehnliches Stattfinde, dafür sprechen einige merk- würdige Thatsachen. | Bei Parietaria können sich
die hermaphroditischen Blumen, wie Schkuhr u
nd Treviranus gezeigt haben, nicht selbst bestäuben; sie müssen durch den Pollen von anderen Blumen befruchtet werden. Es verhält sich mit ihnen, wie mit den hermaphroditischen
e Schnecken, die sich nicht selbst befruchten.
Es sind einige Pflanzen bek
annt, bei denen der eigene Pollen nicht zu befruchten
vermag, obgleich er vollkommen
rtner beobachtete, Lobelia t befruchten, wiewohl beide higem Zustande sich befanden ;
ld. sich nicht selbs Sexualorgane in zeugungsfä
209:
denn ihr Pollen befruchtete die Ovula von L. syphilitica Lin. sowie von L. cardinalis Lin., und ihre Ovula wurden von dem Blüthenstaub dieser beiden Arten befruchtet: — Nach demselben Beobachter befruchtete ein Exemplar von Verbascum nigrum Lin. nicht sich selbst; es wurde. aber von V. austriacum Schott ziemlich vollständig befruchtet, und sein Pollen befruchtete die Ovarien von V. Thapsus Lin. An andern Arten von Verbascum wurde die nämliche Erfahrung gemacht. So beobachtete schon Kölreuter, dass vier Stöcke von Verbascum phoeniceum Lin. in einer grossen Menge von Blüthen, die mit eigenem Pollen künstlich bestäubt wurden, nicht einen einzigen Samen an- setzten, während die nämlichen Pflanzen sich durch Verbas- cum Lychnitis Lin, V. phlomoides Lin., V. nigrum Lin. und V. Blattaria Lin. leicht befruchten liessen.
Gärtner bestäubte ferner 68 Blüthen von Tropaeolum majus Lin. mit eigenem Pollen; nur 2 derselben bildeten spärliche Samen. Von 16 Blüthen derselben Pflanze, die mit Pollen von T. minus Lin. bestäubt wurden, gaben 5, und von 10 Blüthen des T. minus, die mit Pollen von T. majus bestäubt wurden, gaben 8 spärliche Samen. |
Nach den Beobachtungen von Herbert wurde Ama- ryllis carinata Spr. nicht durch den eigenen Blüthenstaub, wohl aber durch denjenigen von A. tubispatha Herit. be- fruchtet. Aehnliches berichtet er von anderen Amaryllis- Arten und von Arten der Gattung Crinum. — Verschiedene Beobachter bezeugen, dass mehrere Arten von Passiflora, wenn man sie sich selbst überlässt oder durch den eigenen Pollen künstlich bestäubt, keine oder spärliche Samen bilden. Mit dem Pollen verwandter Arten bestäubt, setzen sie reich- lichere Früchte an, und ihr eigener Pollen vermag ebenfalls andere verwandte Arten zu befruchten.
Diese Beispiele zeigen deutlich, dass auch bei den Pflan- zen die Abneigung gegen die Selbstbefruchtung oder gegen
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die Befruchtung durch ein Individuum der gleichen Form sehr gross sein kann. Denn sie ist grösser als die Abneigung gegen die Vermischung mit einer nahestehenden Species. Dass überhaupt eine allzustrenge Inzucht eine weniger frucht- bare und schwächlichere Nachkommenschaft zur Folge hat, ist die allgemeine Ansicht der Pflanzen- und Thierzüchter. Desswegen wird zur Kräftigung einer Race hin und wieder fremdes Blut in dieselbe eingeführt. Die Kreuzung von zgo nahestehenden Varietäten derselben Art giebt meist _ grossere Menge von Samen als die Befruchtung der einen . oder andern Varietät durch sich selbst: dessgleichen sind die aus solchen Kreuzungen hervorgegangenen Bastarde frucht- barer als die Individuen der reinen Varietäten.
Die strenge Inzucht, wozu die in den botanischen Gär- ten gezogenen Pflanzen häufig verurtheilt sind, dürfte eine der Ursachen sein, warum manche Arten aus dem Betriebe rschwunden sind. Es ist sehr frag- ob Victoria regia sich auf die Dauer in unseren
ien wird halten können, wenn nicht von Zeit zu Zeit Samen aus dem Vaterlande geholt werden.
Lecocq giebt an, dass die Kreuzung verschiedener In- dividuen der nämlichen Varietät von Mirabilis kräftigere Pflanzen gebe, als die Selbstbefruchtung.
5. Wenn gleichzeiti üth
derselben mit der Zeit ve lich, Aquari
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von geringerer Affinität langsamer erfolgt, so kann Pollen von stärkerer Affinität, der etwas später zutritt, neben jenem wirksam werden, und das Vor- handensein von zweierlei Samen in einer Frucht veranlassen.
Es ist selbstverständlich, dass ein Ovulum nur von einem einzigen Pollenschlauch befruchtet wird, und dass die früher von Einigen gehegte Ansicht, es. könne der Keim im Samen das Produkt von mehreren Pollenkörnern sein, ins Reich der Fabeln gehört.
_ Alle künstlichen Boianu haben dargethan, dass wenn man die Narben einer Blüthe gleichzeitig mit eigenem Pollen und mit demjenigen anderer Arten bestäubt, nur Pflanzen der eigenen Art gebildet werden. Und zwar macht die kleinste Quantität des eigenen Blüthenstaubs die grösste Menge von fremdem unwirksam. Eine Ausnahme. findet nur dann statt, wenn eine Pflanze eine grosse Abneigung gegen die Selbstbefruchtung hat (§. 4). Ebenso entsteht, wenn eine Blüthe mit Pollen von verschiedenen Arten bestäubt und der eigene ausgeschlossen wird, nur eine Bastardart.
Kommen verschiedene Arten von Blüthenstaub ungleich-
zeitig auf eine Narbe, so ist der spätere immer unwirksam,
insoferne er nicht einer grösseren Affinität entspricht. - Ist der nachträglich zutretende Pollen näher verwandt, so kann er nur wirken. insoferne die Befruchtung durch den entfernter- verwandten nicht schon eingetreten ist, wofür bei einzelnen Pflanzen nur eine sehr kurze Frist erfordert wird. Bastard- befruchtung kann bei Nicotiana schon nach 2 Stunden, bei Malva und Hibiscus nach 3, bei Dianthus nach 5—6 Stunden nicht mehr durch den eigenen Pollen ver- hindert werden.
Wir müssen uns diess folgendermassen erklären. Wäh- rend die Pollenkörner auf der Narbe -in Schläuche auswachsen und diese Schläuche durch den Griffelkanal in die Frucht-
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knotenhöhlung und zu den Eichen wandern, gehen ‚Verände- rungen in den letztern vor sich. Ihre Keimbläschen sind bei der Ankunft der Pollenschläuche auf die Befruchtung vorbereitet. Tritt letztere nicht ein, so geht die Conceptions- fähigkeit in Folge der eingetretenen Veränderung dennoch verloren. Kommen nun wenig Pollenkörner von grösserer und ‚viele von geringerer Affinität gleichzeitig auf die Narbe, so legen die Pollenschläuche jener den Weg in kürzerer Zeit zurück, und befruchten die entsprechende Zahl Ovula; die übrigen, welche ebenfalls vorbereitet waren, sind dann bei der späteren Ankunft der Pollenschläuche von geringerer Affinität nicht mehr conceptionsfähig. Daher wirkt von meh- reren gleichzeitig bestäubenden Pollenarten immer nur die, welche der grössten Verwandtschaft entspricht, auch wenn sie in einer für die Zahl der Ovula ungenügenden Zahl vor- handen ist.
Daraus folgt auch, dass nur Pollen, w der gehörigen Entwicklung der weibli Narbe kommt,
elcher zur Zeit chen Organe auf die befruchtend wirken kann, und dass äller später zutretende Bliitheistaub unwirksam bleibt. Es giebt nur einen Fall, wo diese Regel eine Ausnahme erfährt. Wenn Pollen von geringer Affinität allein auf die Narbe gelangt, so dringen dessen Schläuche langsam durch den Griffelkanal . hinunter. Kommt dann ein wenig später Pollen von grös-
serer Verwandtschaft (z. B. der eigenen Art) auf. die Narbe, so können seine schneller wachsenden Schläuche gleichzeitig mit den vorigen das Ziel erreichen, und es kann ein Theil der Ovula von dem ersten, ein anderer Theil yon dem zwei- ten Pollen befruchtet werden. Es hängt also von sehr bestimmten Verhältnissen der Bestäubungszeiten ab, ob aus einer Blüthe sich nur eine oder Zwei Arten von Samen
(d. h. Samen von gleicher oder verschiedener männlicher Abstammung) bilden,
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213
6. Die eigenthümliche Wirkung des männlichen Stoffes trifft ausschliesslich das von demselben be- fruchtete Keimbläschen, und giebt sich daher bloss an dem (im Samen enthaltenen) Embryo und an der daraus erwachsenden Pflanze kund. Die nach der Befruchtung erfolgende Veränderung der Blüthen- theile, die Frucht- und Samenbildung ist die näm- liche, ob das bestäubende Individuum so oder anders beschaffen ist. Letzteres vermag überhaupt nichts an den systematischen Merkmalen des be- stäubten Individuums zu ändern. Die erfolgte hy- bride Befruchtung kann also nicht schon an der Mutter, sondern erst am Kinde wahrgenommen werden.
Dieser Grundsatz ist durch die künstlichsten Bestäu- bungen ausnahmslos erwiesen. Alle Veränderungen in der Blüthe, welche auf die Conception folgen, das Welken der Blumenkrone, die Vergrösserung des Kelches, die Ausbildung des Ovariums zur Frucht und der Ovula zu den Samen treten in ganz gleicher Weise ein, die Früchte und Samen sind äusserlich und innerlich ganz gleich beschaffen, ob die Befruchtung durch den Blüthenstaub der eigenen oder einer fremden Art und Varietät erfolgte. Bloss der Keimling, aus dem in der Folge die neue Pflanze sich entwickelt, hat je. nach der Natur des Vaters andere Anlagen erhalten.
Gegenüber diesen bestimmten Thatsachen. müssen sowohl die älteren gegentheiligen Annahmen als auch ähnliche noch immer bestehende Vermuthungen und unbestimmte Angaben von Gärtnern, Landwirthen und z. Th. auch von Botanikern zurückgewiesen werden. Durch die hybride Befruchtung wird nicht die weibliche Pflanze, sondern nur der Bastard, nicht die Mutter, sondern nur das Kind affızirt. Wir lesen nicht ohne einige Heiterkeit von einem Apfel, der auf der einen Seite süss, auf der andern sauer und nach dem Kochen zur
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Hälfte weich und zur Hälfte hart gewesen sein soll, und
dessen Ursprung von einer hybridbefruchteten Blüthe abge- leitet wurde. Hat der Apfel wirklich
sein Ursprung ein ganz anderer.
Die Angaben, dass nebeneinander stehende Obstbäume, Getreidearten und andere Kulturgewächse durch gegenseitige Bestäubung sich etwas von ihren Eigenschaften mittheilten, dass die in den botänischen Gärten nebeneinander gepflanz- ten Perennien gegenseitig einen verändernden Einfluss aus- übten und dass dadurch Modifikationen der Kulturexemplare abzuleiten wären, verdienen keine bessere Beurtheilung als jener Apfel, wenn, sie auch unsern Glauben etwas harmloser in Anspruch zu nehmen scheinen.
7. Der aus der Vermischung von zwei verschie- | denen elterlichen Formen entsprungene Bastard
existirt, so war gewiss
steht in seinen systematischen Merkmalen zwischen’ denselben. Meistens hält er ziemlich die Mitte; sel-
tener hat er von einer derselben einen überwiegen- den Antheil empfangen, so dass er ihr ähnlicher sieht als der andern elterlichen Form. Letzteres tritt bei den Varietätenbastarden auffallender her- vor als bei den Artbastarden.
Abgesehen hievon giebt sich der Einfluss ‘hybriden Zeugung auf doppelte Art kund; entweder stellt jedes Merkmal eine mittlere Bildung dar, oder ein Theil der Merkmale nähert sich der einen, ein anderer der andern Stammform. Im letztern Falle findet die Scheidung oft in der Weise statt, dass die vegetativen Organe (Stengel und Blätter) mehr der einen, die reproduktiven (Blüthen und Früchte) mehr der andern elterlichen Form entsprechen. Im Allgemeinen gehen die Merkmale um so eher un- verändert auf den Bastard über, je unwesentlicher sie sind; sie stellen dagegen in Folge von gegensei-
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tiger Durchdringung um so eher Mittelbildungen dar, je wichtiger und constanter sie sind. Daher finden wir die elterlichen Charaktere in den Art- _bastarden eher fusionirt, inden Varietätenbastarden mehr unvermittelt neben einander.
-Ob die eine oder andere Stammform bei der Zeugung als Vater witwirkte, drückt sich in den Merkmalen des Bastards entweder gar nicht oder nur in sehr unbedeutendem Maasse aus. Dagegen bewirkt die Auswechslung von Vater und Mutter eine Modification der innern Eigenschaften des Bastards, welche in der ungleichen Fruchtbarkeit desselben und in der ungleichen Tendenz zum Va- riiren bei seinen Nachkommen offenbar wird.
Die Achnlichkeit des Bastards mit den beiden erzeugen- den Pflanzenformen ist von verschiedenen Forschern in der - abweichendsten. Form aufgefasst worden. Diess wird aus zwei Gründen sehr begreiflich. Einmal haben nicht alle Merkmale der Pflanze einen gleichen Werth; der eine Be- obachter legt mehr Gewicht auf dieses, der andere auf jenes Merkmal, je nach dem theoretischen Standpunkt, den er bei der Beurtheilung einnimmt. Ferner gestattet die sinnliche Wahrnehmung selbst einen ziemlich weiten Spielraum für abweichende individuelle Ansichten. Dem einen Beobachter fällt mehr dieses Merkmal auf, während jenes zurücktritt; bei dem andern ist das Entgegengesetzte der Fall. Selbst für das nämliche Merkmal kann die Schätzung bei Verglei- chung mit den Stammformen durch verschiedene Individuen ungleich ausfallen. — Diese subjectiven Abweichungen be- treffend die theoretische Beurtheilung und die sinnliche Wahrnehmung sind immer in Anschlag zu bringen, went wir die Angaben der Experimentatoren kritisch prüfen.
Vor allem aus muss die von den früheren Forschern festgehaltene Ansicht, dass zwei befruchtende Arten zugleich
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ihre Eigenschaften auf die neue Pflanze übertragen können, aufgegeben werden (vgl. §.5). Der Bastard kann nicht, wie Sageret meinte, zwei Väter haben. Es ist daher. nicht möglich, dass, wie Kölreuter glaubte, je nach der ver- schiedenen Mischung des fremden mit dem eigenen Pollen auch verschiedene Grade der „Tinktur“, wie er es nannte, erfolgen, d. h. dass die ausschliessliche Einwirkung des fremden Pollens den reinen Bastard, abgestufte Beimengungen von eigenem Pollen dagegen : ebenso viele -Mittelstadien zwischen demselben und der Mutter hervorbringen. Ebenso wenig ist es möglich, dass nach der Annahme Wiegmann’s und: Herbert’s bei Ausschluss des eigenen Pollens der fremde je nach seiner Menge mehr oder weniger vollkommen
einwirke, : wobei: nur die vollkommenste Einwirkung den _ reinen Bastard, minder- vollkommene Einwirkungen aber - Mittelglieder zwischen demselben und der Mutter erzeugten.
Die grössere ‚oder geringere Menge des Bliithenstaubs, die Reinheit desselben oder: seine Vermischung mit anderem Blüthenstaub kann keinen Einfluss auf die Beschaffenheit des Embryo’s haben, weil dieser immer das Produkt des Keim- bläschens und eines einzigen, aber auch eines vollständigen Pollenkorns ist. Í
Die zwei Fragen, auf die es rücksichtlich der Vererbung der Merkmale bei der Bastardbildung ankommt, sind 1) wie verhalten sich die väterliche und die mütterliche Pflanze und 2) wie verhalten sich die beiden sich bastardirenden Arten zu einander?
: Rücksichtlich des männlichen und weiblichen Einflusses bei der Befruchtung. glaubte man früher, dass nothwendig irgend ein gegensätzliches Moment Platz greifen müsse. Da- her die Theorie von Linné, dass die äussern Merkmale wie die Blätter, die Rindengebilde u. s. w. vom Vater, die in- nern Eigenschaften oder diè Fructification von der Mutter herstammen; die Theorie der spätern Systematiker, dass
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die Reproductionsorgane wie Blüthenstand, Blithe, Frucht dem Vater, die vegetativen Organe dagegen wie Wurzel, Stengel und Blätter der Mutter ähnlich seien; die Ansicht von Schiede und Andern, dass der: Bastard mehr yom Vater, die Ansicht von Bernhardi und Ander, dass er mehr von der Mutter geerbt habe.
Von besonderer Wichtigkeit und auch allein entschei- dend sind in dieser Beziehung die wechselseitigen Bastardi- rungen oder die sogenannten „Kreuzungen“ °) wie sie Köl- reuter und Gärtner in grösserer Zahl ausgeführt haben. Von zwei Arten A und B wurden einmal A durch B, und ferner B durch A befruchtet, so dass man also zwei Bastarde von der Form B A und A B erhielt. Diese beiden Formen wären in den meisten Versuchen von Kölreuter und von Gärtner einander so gleich, dass eine Verschiedenheit nach der Abstammung nicht zu erkennen war. Bei andern Pflan- zen jedoch zeigte sich eine geringe Abweichung, seltener in der Form und Substanz der Blätter, häufiger in der Gestalt
und Farbe der Blüthen, wodurch B A sich bestimmt von '
AB unterscheiden liess. Ein allgemeines Prinzip spricht sich aber dabei nicht aus, und es lässt sich der specifische Eim- Auss des Vaters und der Mutter nicht bestimmen. +°)
9) Gärtner braucht das Wort Kreuzung ausschliesslich in
der oben bezeichneten Bedeutung. Der allgemeine Sprachgebrauch
dagegen hält es mit Bastardirung synonym: Um Missverständnisse zu vermeiden, bediene ich mich des Ausdrucks wechselseitige Bastardirung, wo es sich um die Erzeugung von zwei Bastarden von der Form A B und BA handelt. .
10) Wiederholt hat Regel, der so manche schöne Bastardirung ausgeführt hat, die Theorie ausgesprochen,. dass die Bastarde, in denen Arten verschiedener Gattungen sich vereinigt haben, den Gat- tungstypus der Pflanze annehmen, die den Pollen lieferte. Er stützt sich dabei auf die Versuche, welche er mit Gessneriaceen-Gattun- gen, ferner mit Aegilops und Triticum angestellt : hat.: Ich
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Damit möchte ich nicht behaupten, dass ein solcher verschiedener Einfluss nicht wirklich bestehe, Die Thier- bastarde (Maulthier und Maulesel) weisen ebenfalls darauf hin, und es wurde früher schon hervorgehoben, wie ungleich die sexuelle Affinität sein kann, wenn A oder wenn B als männliche Pflanze functionirt ($.2). Daher ist es a priori wahrscheinlich, dass innerhalb gewisser Grenzen der Vater immer einen Sala Einfluss auf die innere (chemisch-physi- kalische) Constitution des Keimlings hat, als die Mutter. Aber derselbe drückt sich nicht daek in den äusseren - Merkmalen aus, oder wir sind wenigstens noch nicht im Stand, ihn hier zu erkennen. Dass er wirklich vorhanden sei, wird durch die ungleiche Fruchtbarkeit der wechsel- seitigen Bastarde und durch das Verhalten ihrer ferneren
Generationen bewiesen, welche eine ungleiche Neigung zum Variiren haben.
vermisse aber das einzige Criterium, welches zu dieser An- nahme berechtigte, nämlich die wechselseitige Bastardirung der beiden Gattungen. Angenommen, es hätte wirklich der Bastard, wel- cher aus der Befruchtung von Aegilops durch Pollen von Triticum erhalten wird, die Gattungsmerkmale von Triticum, so wäre noch zu entscheiden, ob er diess der Einwirkung des Vaters oder dem typischen Einfluss von Triticum verdanke. Der einzige Versuch, der
darüber Aufschluss gäbe, wäre die Befruchtung von Triticum durch Aegilops. Wenn die Theorie von Regel wirklich Grund hätte, so müsste die letztere Verbindung den Gattungstypus von A'e gilops zeigen, und überhaupt von dem erstgenannten wesentlich verschieden sein. Wir müssen hieran zweifeln, bis der faktische Beweis vorliegt. Alle Versuche von Kölreuter, Gärtner und Wichura sprechen dagegen. Der erstere spricht wiederholt aus, dass die Bastarde A B und B A sich so ähnlich sehen „wie ein Ei dem andern“. Gärtner sagt ebenfalls, dass die geübtesten Kenner sie nicht zu unterscheiden vermöchten, und führt als ein „sehr charakteristisches Beispiel“ den Bastard von zwei Gattungen an, nämlich von Silene viscosa Pers. une Lychnis diurna Sibth,
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Die ungleiche Fruchtbarkeit der wechselseitigen Bastarde ABund BA steht im Zusammenhang mit der verschiedenen sexuellen Affinität, welche die männlichen Organe A zu den weiblichen B und die weiblichen Organe B zu den männ- lichen A haben. In den Versuchen Gärtner’s gaben 44 Blü- then von Nicotiana rustica Lin., welche’ durch N. pani- culata Lin. befruchtet wurden, 38 Kapseln jede mit einer mittelmässigen Menge von Samen. Dagegen gaben 62 Blüthen von N. paniculata, bestäubt mit dem‘ Pollen von N. ru- stica, nur 17 Kapseln und diese mit spärlichen Samen. Der Bastard N. paniculato-rustica (worin N. panicu- lata als Vater, N. rustica als Mutter vertreten ist) ent- spricht also der grössern, N. rustico-paniculata der geringern sexuellen Affinität. Jener ist nach Gärtner’s An- gabe fruchtbarer, als dieser.
Ich werde später ($. 9) von dem Variiren der Bastarde sprechen, und erwähne hier nur, dass A B und BA, ob- gleich sie äusserlich von einander nicht zu unterscheiden sind, doch in ihrer Nachkommenschaft sich verschieden ver- halten können. Wären A B und B A wirklich identisch, so müssten bei Selbstbestäubung auch ihre folgenden Genera- tionen identisch sein. Nun geschieht es aber zuweilen, dass A B geneigter ist, Varietäten zu bilden, als BA. So ist nach Gärtner die Nachkommenschaft von Digitalis pur- pureo-lutea variabler als diejenige von D. luteo-pur- purea, diejenige von Dianthus pulchello-arenarius variabler als von D. arenario-pulchellus etc. Weitere _ Thatsachen betreffend die Verschiedenheit der wechselseitigen
Bastarde mit Rücksicht auf Fruchtbarkeit und Variabilität der Nachkommenschaft werde ich bei den zusammengesetz- ten Bastarden in der folgenden Mittheilung anzuführen Ge- legenheit haben.
Was den Einfluss der beiden Stammformen betrifft, so scheint derselbe bald vollkommen gleich zu sein, und der
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Bastard genau die Mitte zwischen ihnen zu halten; — bald ‚wirkt die eine bei dem Zeugungsakt mit grösserer Energie ` und der Bastard wird ihr etwas ähnlicher, als der andern Stammform. — Die letztere Thatsache hat zu den unrich- tigen Deutungen Veranlassung gegeben, es erbe der Bastard mehr von dem Vater oder von der Mutter, oder es habe bei seiner Erzeugung eine grössere oder geringere Menge Blüthen- staub mitgewirkt, oder es seien die Sexualorgane der einen oder ‘andern elterlichen Pflanze in einem geschwächten Zu- stande gewesen. Die Unrichtigkeit aller dieser Theorieen wird durch die Thatsache widerlegt, dass wenn .der Bastard A B eine grössere Aehnlichkeit mit B hat, diese grössere Aehnlichkeit auch der umgekehrten Verbindung BA zukommt. Hier übte also B einen überwiegenden oder typischen Ein- fluss aus. Diess liegt offenbar in der spezifischen Natur von A und B und lässt sich nicht weiter erklären. Mit Unrecht, wie mir scheint, hat Wichura neuerdings
die Möglichkeit des typischen Einflusses einer der beiden Stammformen bestritten. Er stützt sich auf die Thatsache, dass bei den Salices die Bastarde immer genau mittlere Bil- dungen seien, und vermuthet, man könnte sich in der Schätzung der Aehnlichkeit bei andern Gattungen geirrt haben. Es ist nun ein sehr missliches Ding, sich über die Glaubwürdigkeit und Urtheilsfähigkeit Anderer zu streiten. Wir müssten sie jedenfalls gering anschlagen, wenn Alles, was besonders von Kölreuter und Gärtner über die stärkere Einwirkung einzelner Arten berichtet wird, ins Ge- biet der Täuschungen gehören sollte!!). Doch kann ich um
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11) Damit will ich keineswegs sagen, dass Alles was von den verschiedenen Experimentatoren in dieser Beziehung angeführt wurde, auf Treu und Glauben anzunehmen sei. Denn'es ist darin wirklich das Unglaubliche geschehen, Man hat durch künstliche Bestäubung
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so eher über diese Frage hinweggehen, als es eine That- sache giebt, welche für einzelne Fälle einen mathematischen Beweis liefert.
Die Speciesbastarde werden durch wiederholte Befruch- tung mit einer der beiden Stammarten in diese zurückge- führt. Hält ein Bastard genau die Mitte, so bedarf es einer gleichen Zahl von Generationen, um ihn in die eine oder andere Stammart zu verwandeln; durchschnittlich werden dazu 5 Generationen erfordert. Hält er nicht die Mitte, so langt er nach einer geringern Zahl von Generationen bei der Species mit dem überwiegenden Einfluss an. Gärtner führt mehrere Beispiele an, wo der Bastard A + B eine Genera- tion weniger bedurfte, um in A als um in B überzugehen. Bei einzelnen betrug die Differenz 2 Generationen. Der Ba- stard von Dianthus chinensis Lin. und D. Caryophyl- lus Lin. verwandelte sich bei wiederholter Befruchtung mit D. Caryophyllus nach der 3. bis 4. Generation in D. Caryophyllus, bei wiederholter Befruchtung mit D. chi- nensis nach der 5. bis 6. Generation in D. chinensis. Ebenso gieng der Bastard von Dianthus barbatus Lin. und D. superbus Lin. nach der 3. bis 4. Generation in D. superbus, nach der 5. bis 6. Generation in D. barba-
zwischen weit verschiedenen Arten der gleichen Gattung oder zwi- schen verschiedenen Gattungen Bastarde erhalten haben wollen, wo